Mülheim an der Ruhr. .
Den Kartoffelbaum suchen Neuankömmlinge in der Schul- und Apothekergarten-AG der Willy-Brandt-Schule vergeblich.
Dass Erdäpfel nicht vom Ast gepflückt werden, sondern unterirdisch reifen, wissen viele Kinder heute nicht mehr, hat AG-Leiterin Ulrike Schulten-Baumer festgestellt. Ansonsten wächst und gedeiht im liebevoll gepflegten Garten aber vieles, was das Schülerherz begehrt.
Und zwar buchstäblich: Auf den eigens angelegten Schülerbeeten wird „Gemüse nach Wunsch“ angebaut. Und do teilen sich hier Möhren und Zwiebeln die Erde mit Salat, Tomaten und Zucchini. Auch die Frage nach dem Kartoffelbaum wird hier anschaulich beantwortet.
Noch verbergen sich nicht nur die Pommes-Knollen unter der Erde. Doch ein paar Meter weiter grünt und blüht schon eine Kräuterspirale: Oregano – den Schülern als Pizzakraut geläufig – Salbei, Lavendel und Rosmarin liegen in der Luft. Rashid Mutaliev pflückt vorsichtig ein Blatt Zitronenmelisse. „Das kann am am besten in der Hand zerreiben“, gibt er einen Tipp und schnuppert daran. „Die riecht so gut“, freut der Elfjährige sich. Die Namen der Kräuter gehen den Schülern nicht immer auf Anhieb über die Lippen, doch wie sie riechen und schmecken, wissen sie ganz genau.
Warum macht den Schülern Unkraut jäten, Rasenmähen und Samen aussäen eigentlich so viel Spaß? „Weil man an der Luft ist, weil es Muckis gibt, und weil man am Ende was erreicht hat“, lautet Yannick Reithes (13) überzeugte Antwort. Dabei könnte er, statt die Gartenhandschuhe überzustreifen, auch den Joystick in die Hand nehmen und sich zum Helden ganzer Universen aufschwingen. Doch die virtuelle Realität reicht Yannick nicht. „Beim Computer spielen kann man zwar auch was erreichen, aber das ist nicht echt. Hier hat man Gemüse, Früchte...“.
Manches, wie die Walderdbeeren, wird frisch vom Strauch genascht, anderes nehmen die Schüler voller Stolz mit nach Hause – roh, oder zum Beispiel in Form von Blütenessig und Massageöl. Und wenn in der Berufsorientierung Kochen auf dem Stundenplan steht, werden die Kräuter aus dem Schulgarten in die Pfanne gehauen.
Leoni Ottmeyer hat ihre Augen auf etwas anderes als den praktischen Nutzen gerichtet. „Ich find’s schön, wenn man später die ganzen Blumen hat“, erzählt die Elfjährige. Besonders die Sonnenblumen haben es ihr angetan. Als eins von zwei Mädchen ist sie schon fast eine Exotin in der 13-köpfigen Gärtnertruppe. „Mädchen machen sich nicht so gerne schmutzig. Und Spinnen, ih“, grinst Schulten-Baumer. Leonie macht das Wühlen im Dreck nichts aus. „Man kann das doch einfach abklopfen“, zuckt sie mit den Schultern.
Jeder AG-Teilnehmer nimmt etwas anderes aus dem Garten mit. Für Christoph Hülsmann (12) ist es vor allem eins: „Die Ruhe“, sagt er leise – und schweigt. Außerhalb des Gartenzauns ist er zappelig, unstet. Hier kann er sich entspannen. Ähnliche Nebenwirkungen hat Schulten-Baumer auch bei sonst problematischen Schülern beobachtet: „Wenn die in den Garten kommen und sehen, sie werden gebraucht, sind sie friedlich.“
Schulten-Baumer, die von den Schülern liebevoll Schulti gerufen wird, ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und hat das Gärtnern quasi von der Pike auf gelernt. „Ich liebe Gärten“, schwärmt sie. „Kinder die Erde fühlen zu lassen, sie den direkten Kontakt zur Natur fühlen zu lassen...“. Die Mitglieder ihrer AG hat sie längst auf den Geschmack gebracht. Und auch (noch) Nicht-Gärtner riskieren gern mal einen Blick: „Sobald wir hier rumwuseln, gucken die über den Zaun“, schmunzelt Schulti. Wer nicht nur lünkern, sondern selbst ernten will, ist in ihrer AG herzlich willkommen.