Mülheim. .

Ein Mülheimer hat Strafanzeige gegen die Mülheimer Kommunalpolitik wegen Untreue gestellt. Es geht um den Abriss der Brücke „Knastkurve“ für Baumaßnahmen im Rahmen des Projektes Ruhrbania. Argumentation: Politiker dürften so etwas angesichts der prekären Haushaltslage nicht veranlassen.

Der Frust bei vielen Bürgern sitzt tief, geht es um die Stadtentwicklungspolitik in Zeiten leerer Kassen, insbesondere um das Prestigeprojekt Ruhrbania. Wie jetzt bekannt wurde, wollte ein Bürger die Entscheidungen der Stadtpolitik gar juristisch an den Pranger stellen. Andreas Schlüter aus Saarn hat Strafanzeige gegen die Kommunalpolitik wegen mutmaßlicher Untreue gestellt. Er wollte damit, quasi in letzter Minute, das große Verkehrsprojekt „Ruhrbania Los 2“ stoppen. Er scheiterte mit seinem Anliegen...

Am 7. März, einen Monat vor dem Abriss der „Knastkurve“ östlich der Konrad-Adenauer-Brücke, gab der 44-jährige Familienvater online seine Strafanzeige ein, die sich zwar gegen „Unbekannt“, letztlich aber die politisch Verantwortlichen der Stadt richtete. Schlüters Argumentation: Wer trotz Wissens um die prekäre Haushaltslage und „ohne Not“ funktionsfähige Infrastruktur abreißen lasse, um mit Millionen ein Prestigeprojekt zu realisieren, gleichzeitig aber aus Sparzwängen darüber diskutiere, soziale Strukturen zu zerschlagen, mache sich der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig. Schließlich hatte Kämmerer Uwe Bonan schon im September 2009 die Gefahr des Nothaushalts gesehen. Später vergab die Stadt dennoch erste Großaufträge für die Verstärkung des Straßenbahntunnels (Oktober) und den Straßenbau am Tourainer Ring (Dezember), im März folgte der Abriss-Auftrag für die „Knastkurve“.

„Nur Leuchtturm-Projekte“

Der Bürger beruft sich bei seiner Argumentation auf § 75 der Gemeindeordnung. Demnach hat „die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist“. Für Schlüter zählt zu den Aufgaben der Stadt auch der „Aufbau und Erhalt sozialer Strukturen“. Er beklagt, dass in der städtischen Krise „nur die Leuchtturm-Projekte fortgeführt werden, nicht aber die sozialen Strukturen“. Letztere seien durch die Sparvorschläge des Kämmerers bedroht.

Die Kritik am Festhalten am 14,4 Mio Euro teuren Verkehrsprojekt im Norden war und ist groß. Die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) sind Sturm gelaufen gegen den Abriss der Brückenkonstruktion. Wenige Tage vor dem Abriss hatte gar CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels im WAZ-Gespräch eingeräumt, dass man das Vorhaben „durchaus hätte noch mal diskutieren müssen“. Die CDU habe seinerzeit für die Pläne „dummerweise mitgestimmt“.

Unbeeindruckt von der Kassenlage

Verwaltung und Ratsmehrheit hielten, unbeeindruckt von der Kassenlage, stramm am Konzept fest – MBI-Anträge, „den Wahnsinn zu stoppen“, scheiterten. Fraktionssprecher Lothar Reinhardt wählte dazu gewohnt harsche Worte: „Entsetzlich“, sagte er allgemein zu Ruhrbania, „wie dieses schwindsüchtige Prestigeprojekt jede rationale Vernunft zerstört hat. Dabei wäre es ein Einfaches gewesen, den Overfly nach der FH-Entscheidung und bei den Haushaltslöchern einfach stehen zu lassen.“ Seine Sicht teilte manch ein Bürger-Beitrag bei den Haushaltsforen im März. Wer dort aber den Abriss-Verzicht forderte, bekam stadtseits den Stempel „ohne Einsparmöglichkeit“ aufgedrückt.

Die Stadt hielt trotz immenser Sparzwänge in Bereichen des sozialen Stadtlebens (Schließungen von Bädern und Co., Kürzung von Vereinszuschüssen etc. pp.) am Projekt fest. Ihre Begründung: 1. Der Umbau im Norden sei existenzieller Bestandteil der verkehrlichen Neuordnung, die mit dem Baulos I in der City begonnen worden sei. Ohne ihn werde das gesamte Konzept nie funktionieren. 2. Ein Projekt-Stopp werde teuer, hieß es Mitte März. Gut zwei Mio Euro seien bereits ausgegeben, zudem würden Vertragsstrafen von mindestens einer Mio Euro und eine Rückzahlung von Fördermitteln an das Land fällig. 3. Am Overfly entstünden in einigen Jahren „erhebliche“ Sanierungskosten. Die erspare man sich durch den Abriss.

Keine neuen Investitionsprojekte

Nur: Erste Bauaufträge, und so argumentiert Schlüter, hat die Stadt erst erteilt, als sie um ihre Haushaltsprobleme wusste. Dass sie noch im letzten Quartal 2009 rausgegangen sind – praktisch. Laut Bezirksregierung darf die Stadt im aktuellen Zustand der vorläufigen Haushaltsführung (ohne genehmigten Etat) keine neuen Investitionsprojekte angehen. Zulässig sei nur, gestartete Projekte fortzuführen.

Zur Strafanzeige des Bürgers. Die Staatsanwaltschaft Duisburg lehnt Ermittlungen ab, „da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat nicht vorliegen. Ein etwaiger politischer Missbrauch der auf Wahl beruhenden verfassungsmäßigen Rechtsetzungsmacht erfüllt nicht den Straftatbestand der Untreue.“