Mülheim an der Ruhr. .

Das Gymnasium Broich liegt nicht etwa in Mülheim, sondern in Burbank, Kalifornien — zumindest Donnerstagnachmittags. Dann findet nämlich die Animations- und Zeichentrick-AG statt.

Hier verwandeln sich kunstinteressierte Jugendliche in hoffnungsvolle Zeichentrickkünstler wie ihre Vorbilder in den amerikanischen Disney-Studios. Mit dem Stift umgehen können wie die Profis müssen sie trotzdem nicht. „Der eine kann vielleicht ein bisschen besser zeichnen als der andere. Aber das heißt ja nicht, dass er auch die besseren Ideen hat“, begründet AG-Leiterin Meike Lothmann.

Auch wenn sie Kunstlehrerin ist: Bei der Arbeit vom Bleistift bis hin zum Computer treffen Kunst, Informatik und Biologie aufeinander. „Animation ist sehr facettenreich“, findet Lothmann. Das zeige sich schon bei einem Hund, der vor einen Baum laufen soll: „Die Mimik, die Gestik, das kommt alles zusammen. Wedelt der Hund beim Laufen noch mit dem Schwanz?“ nennt sie ein einfaches Beispiel.

Innerhalb eines Schuljahres werden sechs Schüler bis zu den Sommerferien das Kino von seinen handgemachten Anfängen bis zu seiner dreidimensionalen Zukunft verfolgt haben. Alles handgezeichnet, versteht sich. So wie das allererste Kino, das auch in die Tasche eines Siebt- oder Achtklässlers passt: das Daumenkino. Hier lernten die Bilder zum ersten Mal laufen — auch wenn sie in den Daumenkinos der Schüler eher stolpern.

„Das kann man von Hand nicht vermeiden“, erklärt Lothmann. Aus der Hand fließt eine Maus halt mal kleiner, mal größer. „Dafür haben wir Schablonen gebaut.“ So liegt nun ein Papp-Frosch auf einem ganzen DIN A3 Bogen voller mit Bleistift gezeichneter Frösche. Das Modell hat Phil Graalmann angefertigt: Der Pappkörper wird von Drahtgelenken zusammen- und beweglich gehalten. „Wir sollten eine kleine Bewegung machen“, erklärt er.

Stück für Stück hat der Zwölfjährige dafür die Froschschenkel verrückt und die Kanten des Modells nachgezogen. Jetzt spannt der Frosch auf dem Papier die hinteren Schenkel zum Sprung an und streckt die vorderen zur Landung, alles in derselben Größe. „Der Frosch springt, macht einen Purzelbaum, landet und springt weiter“, beschreibt Phil. Eingescannt und per Computer als Film abgespielt, dauert das Ganze knapp sechs Sekunden. Phil betrachtet Zeichentrickfilme inzwischen mit anderen Augen. „Man merkt dann erstmal, wieviel Arbeit das ist“, sagt er und deutet auf das DIN A3 Blatt. „Ich hab’ so vier, fünf Doppelstunden dafür gebraucht.“

Dabei hat die Verwandlung vom gezeichneten zum hüpfenden Frosch noch recht flott funktioniert. Durchschnittlich 90 Minuten Arbeit stecken in einer Sekunde animierten Films, lautet Lothmanns Erfahrung. „Wenn man das Ergebnis sieht, denkt man, das dauert zehn Minuten oder so“, stöhnt Laura Kersten. Obwohl sie normalerweise „ziemlich ungeduldig“ ist, schafft sie es in der AG, ruhig zu bleiben. „Ich versuch’ dann, einfach weiterzumachen und den Spaß daran zu behalten“, erklärt die Zwölfjährige. Genau das ist die wichtigste Voraussetzung für die Animations-AG, bestätigt Lothmann: „Die Kinder haben immer weniger Geduld. Die müssen sie mitbringen, oder sie lernen’s.“

Am Ende zahlt sich die Ausdauer aus. Phil grinst breit: „Als der Film abgespielt wurde, was das schon cool.“ Und es wird noch cooler: Bis zu den Sommerferien will Lothmann mit ihrer AG die bis jetzt stummen Bilder zum Sprechen bringen. Außerdem werden Knetfiguren auf der Leinwand zum Leben erweckt. Spätestens mit dieser dritten Dimension werden die Schüler endgültig in der Zukunft des Kinos angelangt sein.