Was tun, wenn Gewalt direkt vor meinen Augen geschieht? Dieser Frage widmete die Bürgerstiftung eine Podiumsdiskussion im Medienhaus. Ein Ergebnis war dabei schon zu Beginn feststellbar: Das Thema bewegt die Menschen in Mülheim.

Trotz „Grillwetters“ und des Champions-League Halbfinales fanden 90 Besucher den Weg ins Medienhaus.

Nach Grußworten vom Vorsitzenden der Bürgerstiftung Hans Christoph von Rohr und der Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld war es an WDR-Moderator Martin von Mauschwitz, die Diskussion in Schwung zu bringen. Rede und Antwort standen die Anwältin Birgit Hülsdünker, der Psychiatrie-Chefarzt Dr. Eugen Davids und Kommissar Jürgen Probst, Leiter Gewaltprävention der Polizei.

Was darf ich?

Eine Frage wollte von Mauschwitz gleich zu Beginn geklärt haben. Welche Rechte und Pflichten hat ein Helfer? Eine Pflicht, zu helfen, gebe es sehr wohl, befand Hülsdünker, doch müsse jeder selbst entscheiden, zu welcher Hilfe er sich in der Lage fühlt. Die Sorge, die auch im Publikum geäußert wurde, inwiefern ein Nothelfer mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe, erklärte die Anwältin als weitestgehend unberechtigt.

So liegen Recht und Pflicht bei der Nothilfe nahe beieinander. „Sie dürfen das tun, was Sie für angemessen halten.“ Natürlich müsse dabei ein gewisses Maß an Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.

Was sollte ich tun?

Auf eines legte Jürgen Probst besonderen Wert: „Jede Situation ist anders und jeder Mensch ist anders.“ Es liege ihm fern, Fragen zu beantworten, was er in einer spezifischen Situation tun würde.

Entscheidend sei die Fähigkeit, sich und die Situation einschätzen zu können. Bei allem Lob für die Taten von Dominik Brunner, als Vorbild eigne sich sein Verhalten nur bedingt. „Man darf nie vergessen, wenn wir alle Herr Brunner wären, wären wir alle tot“, so Probst.

Umso wichtiger sei es, sich schon vorher mit solchen Situationen auseinanderzusetzen, um im Ernstfall besser zu reagieren. „Auch aus einem Sicherheitsabstand kann man das Richtige tun.“ Dazu zähle vor allem das Alarmieren der Polizei. „Das hört sich leicht an, aber Sie werden merken, dass Ihnen in einer solchen Stresssituation nicht mal die Nummer einfällt.“ Ein zu frühes Anrufen der 110 gebe es nicht. Es sei schade, dass die Polizei meist erst gerufen werde, wenn eine Situation bereits eskaliere. Von Selbstschutz durch Pfefferspray oder Elek­troschocker hält Probst hingegen nichts. „Solche Dinge führen in der Regel nur zu noch mehr Aggressivität.“

Auch für Professor Davids von der Psychiatrie in Oberhausen ist das Erkennen des eigenen Typs die wichtigste Vorraussetzung für ein richtiges Handeln. Jeder wisse in der Regel, ob er ein hohes oder niedriges Angst-Niveau besitze, dementsprechend sollte die Reaktion ausfallen. Handele man entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, sei das Risiko groß, das Falsche zu tun.

Kann man Zivilcourage lernen?

„Das kann man klar mit Ja beantworten“, sagte Davids. Am ehesten könne man dies an kleinen Beispielen lernen. Ob es einem in einer extremen Situation helfen würde, sei dennoch schwer zu sagen.

Zustimmung auch von Birgit Hülsdenker: „Jeder kann sich im Kleinen für andere einsetzen. Mir fällt da sofort das Thema Mobbing ein. Auch da gehört Zivilcourage dazu, um zu sagen: Es reicht.“

„Man kann und man sollte es lernen“, findet Probst. Zu diesem Zweck bietet die Polizei zehnstündige Sicherheits-Seminare an, um auf extreme Situationen vorzubereiten.

Fazit

Helfen sollte jeder, doch wie kann auch nur jeder selbst entscheiden. Angst vor rechtlichen Konsequenzen sollte man nicht haben. Und trotz Ausnahmen sei „die Polizei in durchschnittlich 4.30 Minuten am Ort des Geschehens“, sagte Kriminalkommissar Probst.