Von Mülheim an der Ruhr zu Mülheim in der Ruhr oder gar unter der Ruhr könnte es schnell gehen. Selbst, dass die Stadt am Fluss komplett absäuft, scheint nicht undenkbar.

„Auszuschließen ist das bei Starkregen, der ja häufig lokal auftritt, sicher nicht“, bestätigt Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbands.

„Wenn ein Regenereignis eintritt, das weniger als alle 100 Jahre vorkommt, ist die lokale Kanalisation da in der Regel nicht drauf vorbereitet“, unterstreicht er die extreme Natur einer solchen Jahrhundertflut. Auf eine Prognose, wie tief Mülheim in etwaigen Fluten versinken könnte, mag er sich nicht einlassen. Denn sicher ist nur eins: Trotz noch so ausgefeilter Mess- und Prognosemethoden bleiben Wetter und Wasser unberechenbar.

Messen lassen sich hingegen Wasserstand und Durchflussgeschwindigkeit der Ruhr. Wie hoch und wie schnell sie durch Mülheim rauscht, kümmert die zuständigen Stellen bei ihren Warnungen für die Stadt aber nicht. „Da geht es immer um den Pegel in Wetter. Wenn das Wasser hier ist, ist es ja zu spät“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. Im Moment tröpfelt es von Wetter aus allerdings eher gemächlich Richtung Mülheim: Gerade einmal 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führt die Ruhr dort. Hier sind es noch weniger: nicht einmal 14. „Wir sind auf mittlerem Niedrigwasser“, nennt Rüdel das bei einem Pegel von 3,62 Metern.

Doch auch wenn die Ruhr einstweilen brav vor sich hin plätschert – die Mülheimer haben schon mehr als nur nasse Füße bekommen, das zeigt auch die Historie: „Mülheim war immer hochwassergefährdet“, weiß Wiebels. „Deshalb ist ja auch die Altstadt auf dem sogenannten Kirchenhügel erbaut.“ Fast jeden Winter herrscht in der Stadt einmal Hochwasser. Ruhig schlafen können die Anrainer aber auch, wenn der Fluss dann sein angestammtes Bett verlässt. Rüdel beruhigt: „Eigentlich gibt’s da keine großen Schäden. Da wird vielleicht mal der eine oder andere Keller in Mitleidenschaft gezogen.“

Im Sommer birgt eine überraschende Überschwemmung mehr Gefahren. „Dann halten sich auch viele Menschen und Tiere an den Ufern auf“, weist Rüdel auf ein Risiko hin. Schon öfter meldeten betroffene Campingplätze Land und Zelt unter, während weidenden Tieren im wahrsten Sinne des Wortes die Felle davon schwammen.

Damit es der Stadt im Ernstfall besser, sprich: trockener ergeht, handelt sie nach einem Hochwassermaßnahmenplan in mehreren Warnstufen. Um Mülheim Szenen wie aus einem Hollywood-Katastrophenfilm zu ersparen, gibt es dabei keine halben Sachen. „Die drastischste Maßnahme ist die Flutung der Tiefgarage Stadthalle“, erläutert Wiebels. Der Einsatz von Wasser gegen Wasser hat einen Grund: „Die Garage steht quasi im Grundwasser. Wenn der Grundwasserdruck zu groß wird, würde die sonst einfach bersten.“ Tatsächlich stand die Tiefgarage schon einmal unter Wasser – allerdings nur zu Probezwecken.

Bis die dort geparkten Autos wegen eines Notfalls überschwemmt würden, müsste die Ruhr ihr derzeitiges Durchflusstempo allerdings um mehr als das 55-fache steigern: Ab 1000 Kubikmetern Wasser pro Sekunde ist diese Maßnahme vorgesehen. Vorangehen würden harmlosere und vor allem trockenere Vorkehrungen. So gibt das staatliche Umweltamt in Hagen ab 300 Kubikmetern pro Sekunde eine Warnung an Feuerwehr und Tiefbauamt heraus. Außerdem müssen bei soviel Wasser auf dem Weg Richtung Mülheim die technischen Anlagen in Flussnähe gesichert werden. „Das kann öfter schon mal passieren“, bilanziert Wiebels. Ab 650 Kubikmetern würden Hochwasserschieber im Stadtgebiet die Kanäle für die Ruhr dichtmachen und die Fußgängerbrücke am Kraftwerk hochgefahren. Außerdem lagern bei der Feuerwehr hunderte leerer Sandsäcke, die binnen Stunden gefüllt und einsatzbereit wären.

In den letzten Jahrzehnten hat die Stadt ihre Kanalisaton nach Aussage von Wiebels „grundlegend erneuert“. Doch auch der Stadtsprecher gibt zu: „Man ist nie vor Jahrhundertregen gefeit.“ Und er gibt zu bedenken: „Man kann nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Da hätten Sie Riesenrohre wie U-Bahn-Schächte im Boden liegen.“