Mülheim. .
Angela Merkel hat keine Angst um die Kirche - plädiert aber für „Wahrheit und Klarheit in der Aufklärung der Missbrauchvorwürfe“, so die Bundeskanzlerin beim Empfang zum 50-jährigen Bestehen der Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Den Kirchen rät sie, nicht beliebig zu werden.
Auf den Gängen ist es beim Festempfang in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ oft zu hören: Die Missbrauchsskandale lasten ungemein auf der Kirche. Was wird aus ihr? Muss man sich Sorgen machen um diese Säule der Gesellschaft? Auch diese Frage bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Wolfsburg gestellt.
Nein, sie habe keine Angst um die Kirche, betont sie, plädiert aber für Wahrheit und Klarheit in der Aufklärung. Und den Opfern der Missbrauchsskandale müsse klar werden, dass sie in einer Gesellschaft lebten, an die sie sich jederzeit wenden könnten, in der sie Hilfe erhielten.
Rund 500 geladene Gäste aus allen gesellschaftlichen Gruppen waren zum Festakt „50 Jahre Wolfsburg“ erschienen. Viel mehr wollten es sein. Die Rede der Kanzlerin musste in Tagungsräume übertragen werden. Mehrfach betont sie ihre christliche Haltung, spricht viel von der Würde des Menschen, die weltweit zu gelten habe, und sie appelliert an die Politik, die christlichen Wurzeln stärker zu betonen.
Wachsende Unkenntnis
Den Kirchen rät die Protestantin, nicht beliebig zu werden, aber angesichts wachsender Unkenntnis über kirchliche Symbolik und Feste nicht andere zu verlachen, sondern das Niveau zu senken, um so einladender zu sein und zum Glauben zu befähigen. Das kommt gut an.
Wie kann die Gesellschaft eine soziale bleiben, wie kann Solidarität im Zeitalter der Globalisierung, der weltweiten Verknappung der Rohstoffe und des demografischen Wandels erhalten, gelebt werden? Dieses Thema hatte man sich gegenseitig zum Jubiläum gegeben. Merkel holt weit aus, hebt die Bedeutung der Familie hervor als Ort, an dem Werte geprägt werden. Sie betont die Bedeutung des Ehrenamtes, plädiert für die Stärkung „kleiner Einheiten“ und zählt dazu die Kommunen. Deren finanzielle Situation schreie nach Lösung, sagt sie. Antworten hat sie keine.
„Ehrliche Diskussion“ zu medizinischem Fortschritt
Überhaupt gesteht sie ein, dass auch Politik häufiger unsicher sei. Die aktuellen Fragen des Gesundheitswesens nennt sie als Beispiel: „Wir brauchen zum medizinischen Fortschritt eine ehrlichere Diskussion.“
Mutlosigkeit, Fatalismus lässt sie nicht gelten angesichts der Krisen und Herausforderungen, da baut sie lieber auf die Stärken des Landes und auf Gottvertrauen. Auch das gefällt. Anderthalb Stunden redet sie, diskutiert mit den Gästen, hört zu, dann muss sie weiter, zurück zum Flughafen, ab in den Hubschrauber nach Berlin. Im Gepäck hat sie das Kulturhauptstadtkreuz, das ihr der Leiter der „Wolfsburg“, Michael Schlagheck, geschenkt hat. Ein Kreuz wie ein Labyrinth, in dem man sich aber nicht verlaufen kann. Gut für Politiker, gut für die Kanzlerin, denn der Weg im Kreuz führt immer in die Mitte. Da will sie hin.