Mülheim. .

Die Zahl der Unfallfluchten in Mülheim hat im ersten Quartal 2010 deutlich zugenommen. Die Polizei vermutet dahinter auch die Folgen der Wirtschaftskrise: Ein Unfall bedeute immer Kosten, oft sehr hohe, die die Verursacher scheuten.

Das jüngste Opfer war ein 52-jäh­riger Radfahrer in Styrum. Bei einem Unfall mit einem Pkw an der Kreuzung Post-/Steinkampstraße wird er so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden muss. Der Autofahrer indes flüchtet vom Unfallort. Nur eine vage Spur bleibt. Längst kein Einzelfall.

„Wir stellen in den ersten drei Monaten des Jahres eine deutliche Steigerung bei der Unfallflucht fest“, beklagt Polizeihauptkommissar Peter Degener. 284 Fälle von Fahrerflucht landeten bereits bei ihm und seinem Team auf dem Schreibtisch. Besonders schlimm: Bei 13 Unfällen gab es wie in Styrum Verletzte.

Die Suche nach Zeugen und Spuren ist aufwendig. Nicht immer findet die Polizei brauch- und belastbares Material am Unfallort wie kürzlich bei jenem Fall an der Men­dener Brücke: Ein parkendes Fahrzeug wird dort erheblich beschädigt. Die Beamten entdecken allerdings mehrere Teile des Täterfahrzeugs, so dass sie nach umfangreichen Recherchen sagen können: Es handelt sich um einen grün- metallic-farbenen Mitsubishi-Carisma Baujahr 1997. In seltenen Fällen helfen sogar Kennzeichen-Fragmente. „Wir überprüfen manchmal bis zu 200 Fahrzeuge und vernehmen die Halter“, sagt Degener und betont: „Wir gehen Unfallflucht verstärkt an.“ Und das scheint sich auszuzahlen: Die Aufklärungsquote liegt bei 80 Prozent.

Alkohol am Steuer

Erklärungen für den Anstieg bei der Unfallflucht gibt es mehrere: Gut möglich, sagt Degener, dass auch die Wirtschaftskrise eine Rolle spielt. Unfall bedeute immer Kosten, oft sehr hohe, die die Verursacher scheuten. Überzeugt ist die Polizei, dass häufig Alkohol am Steuer zu einer Flucht führt. Gut möglich, dass dies der Grund bei dem Unfall am Frohnhauser Weg war, wo ein Wagen den Abhang hinunter stürzt. Zeugen, die helfen wollen, finden den Fahrer nicht mehr vor. Der Halter kann jedoch schnell ermittelt werden. Als die Polizei ihn aufsucht, findet sie einen alkoholisierten Mann vor, der alles bestreitet.

In anderen Fällen waren Unfallfahrzeuge an Personen verliehen, die keinen Führerschein hatten, berichtet Degener. Kinder, die Unfälle verursachten, flüchteten nicht selten zu Vater und Muter. Auch die Verwicklung von Firmenfahrzeugen in einen Unfall führe häufiger zur Flucht. Dahinter steckt die Angst vor den Arbeitgeber-Konsequenzen.

Hohe Dunkelziffer

Etwa 1200 Fälle von Fahrerflucht im Jahr registrierte die Mülheimer Polizei zuletzt und weiß: Ungezählt sind die vielen kleinen Blechschäden beim Rangieren, in engen Parkhäusern und schmalen Straßen. „Die Dunkelziffer ist hoch. Nicht jeder erstattet bei jedem Unfall Anzeige.“ Doch gerade dazu rät Degener, denn nicht selten stellen sich die Schäden später als sehr teuer heraus, da könnte es nützlich sein, wenn der Täter ermittelt wurde.

Unfallflucht heißt nicht immer beschädigte Autos oder verletzte Personen. „Immer wenn ein schädigendes Ereignis vorliegt, handelt es sich um einen Unfall.“ So hätte sich auch jener Fahrer bei der Polizei melden müssen, der vor wenigen Wochen im Speldorfer Wald nachts drei Rehe tot gefahren hat. Ein Fall, der in der Öffentlichkeit für große Empörung sorgte. Der Fahrer ließ die Tiere einfach liegen. Auch hier ermittelt die Polizei.

Hat das Unrechtsbewusstsein nachgelassen? Das glaubt Degener nicht. Sicher, die Sitten im Verkehr seien rauer geworden, er gibt aber auch zu bedenken, dass der Mensch ein „Fluchttier“ ist. „Ein Unfall ist eine Ausnahmesituation. Viele sind in dem Moment völlig überfordert, psychisch überlastet.“ Vielleicht galt das auch für jene Autofahrerin, die nach einem nächtlichen Unfall erst einmal nach Hause fährt und sich schlafen legt. Am anderen Morgen steht sie jedoch vor der Polizeiwache.