Mülheim. .

Mit einem inszenierten Trauermarsch trug das „Bündnis für Mülheim an der Ruhr“ die eigene Kommune und 19 andere vor dem Ruin stehende Nachbarstädte symbolisch zu Grabe - und rief die Bürger auf, gegen das drohende Sterben des Lebensraumes Stadt bei Bund und Land aufzubegehren.

Schaurig-traurige Moll-Töne überfrachteten am Mittwochmittag die Frühlingsstimmung in der City: Mit einem inszenierten Trauermarsch trug das „Bündnis für Mülheim an der Ruhr“ die eigene sowie 19 andere am finanziellen Abgrund stehende Nachbarstädte symbolisch zu Grabe.

Dabei riefen die Initiatoren der Demo Bürger dazu auf, aufzubegehren gegen Bund und Land, damit diese dem Lebensraum Stadt nicht den finanziellen Garaus machen.

Gut 100 überwiegend in Schwarz gekleidete Bürger und Verantwortliche aus dem sozialen, kulturellen und sportlichen Leben hatten sich gegen 13 Uhr am Synagogenplatz versammelt, um für eine bessere finanzielle Ausstattung der Städte zu demonstrieren. „Liebe Trauergemeinde“, begann Awo-Geschäftsführer Lothar Fink seine Einführungsrede der theatralischen Demo, die unter Federführung von Sven Schlöttke (Theater an der Ruhr) inszeniert wurde.

Fremdverantwortete Lasten

Fink beklagte die fremdverantworteten Lasten, die den Städten das Leben schwer machten: Aufgaben ohne entsprechende Finanzausstattung, Wirtschaftskrise, Aufbau Ost, eine 60-prozentige Steigerung der Sozialausgaben bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen in den letzten zehn Jahren. „So ließ man auch Mülheim in die Verschuldung laufen, bis nichts mehr ging. Unsere arme geliebte Stadt, die einst so voller Leben und Energie war, ging den Weg des langsamen und fortschreitenden Dahinsiechens.“

Fink beschwörte den finanziellen Niedergang der Städte, der „Urzellen der europäischen Kultur“, „Zellen des urbanen Lebens und unseres demokratischen Gemeinwesens“. Eine Stadt brauche Kommunikation und Öffentlichkeit und somit Plätze und Orte, wo dies stattfinden könne, forderte er die Finanzierbarkeit von Theatern, Bädern, sozialen Einrichtungen, Bildungswerken und Co. – wenn Bund und Land dies unmöglich machten, sei das städtische Leben dem Tod geweiht.

Der Tod der Städte

Theatermann Sven Schlöttke war es vorbehalten, den Tod von 19 Pleitestädten zu verkünden – von B wie Bochum bis W bis Wuppertal widmete er ihnen letzte Worte. „Ganz besonders herzlich verabschieden wir uns von Mülheim. Aber auch dich hat man nicht mehr gewollt. Für dich gibt es keinen Rettungsfonds. Du bist keine Bank. Tschüss, Mülheim.“ Eine Kapelle spielte einen eigens von Theater-Musiker Gerd Posny komponierten Trauermarsch, für jede Stadt wurde ein Kreuz an zwei Holzsärge genagelt, bevor sich der Demozug zur Ruhrbrücke bewegte. Mit „neunschwänzigen Katzen“ droschen dabei in Bundes- und Landesgewand steckende Demonstranten auf den Städte-Sarg ein, Schlöttke rief von einem der Begleit-Lkw Losungen des Widerstands in den Raum. Das weckte die Aufmerksamkeit der Passanten, viele zückten ihre Kameras, um das theatralische Spektakel im Bild festzuhalten.

Eigentlich war als Finale angedacht, die 19 Städte-Kreuze über das Geländer in die Ruhr zu werfen. Da die Stadt dies aus ordnungsrechtlichen Zwängen untersagt hatte, landeten nur zwei Exemplare im Wasser. Mülheims Kruzifix schwamm vorneweg . . .

Noch bei der Abfahrt der Lkw stand Schlöttke am Pult auf der Ladefläche. Noch mal rief er, der Dramaturgie sicher, ins Mikrofon: „Es ist an der Zeit! Aufruhr, Bürger!“