Mülheim. .
Für Thomas Fahle ist die Karwoche eine der arbeitsreichsten im Jahreslauf und das Osterfest die Krönung. Seit kurzem lebt der 47-Jährige in Mülheim: als katholischer Priesterkandidat, wie sie selten geworden sind. „Das war ein natürlicher Prozess“, schildert Fahle seine Berufung. „Das spürt man.“
Anfang März begann Priesterkandidat Thomas Fahle in der Gemeinde St. Mariae Geburt seine praktische Ausbildung, nach Studien an der Ruhr-Universität Bochum und im Bischöflichen Priesterseminar. Er zog in den weithin sichtbaren Turm des stattlichen Gotteshauses auf dem Kirchenhügel, lebt nun unter einem Dach mit seinem Vorgesetzten, Pfarrer Michael Janßen, dem Kaplan der Gemeinde — und den Glocken.
„Früher gab es mehrere Kapläne“, nun stehen Räume leer. Thomas Fahle bewohnt ein teilmöbliertes Ein-Zimmer-Appartement mit Miniküche, die er „Kombüse“ nennt und aus Zeitmangel bislang wenig genutzt hat. Als persönliches Inventar hat er Bücher mitgebracht, ein Notebook und eine akustische Gitarre. Der düster-hölzernen Regalwand, die er vorfand, setzt er Tulpen in sonnigem Frühlingsgelb entgegen: „Das war meine erste Aktion: eine Tischdecke auflegen und Blumen besorgen.“
In Mülheim schon einiges erlebt
Der Blick aus dem großen Fenster trifft die Backsteinflanke der Pfarrkirche St. Mariae Geburt. Näher kann ein Arbeitsplatz kaum liegen. „Sehr vielfältige Aufgaben“ hat Fahle zu erfüllen, praktische, seelsorgerische, auch Gottesdienste gestaltet er. In seinen wenigen Mülheimer Wochen hat er schon einiges erlebt. So musste er die Feuerwehr rufen, als Stunden nach einem feierlichen Hochamt mit Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck die Sakristei in Flammen stand. Später folgte ein versuchter Einbruch ins Pfarrbüro im Parterre des Gebäudes, „vermutlich Beschaffungskriminalität“.
Der Priesterkandidat, der aus der Bischofsstadt Paderborn stammt, ist keine zwanzig mehr, sondern ein gestandener Mann, der im vergangenen Advent seinen 47. Geburtstag beging. Ursprünglich gelernter Verkäufer, schloss er eine Ausbildung zum Handelsbetriebswirt an und zog 1997 ins Ruhrgebiet, wo er die Leute als „offen und direkt“ erlebt. „Dieser Menschenschlag kommt mir sehr nah.“ Er holte sein Abitur nach, am Bischöflichen Abendgymnasium in Essen. Anschließend hätte es auch andere Wege gegeben.
Doch dass sich der ehemalige Messdiener beim Priesterseminar bewarb, überraschte weder seine Schwester (die Eltern sind verstorben) noch enge Freunde. „Das war ein natürlicher Prozess“, so schlicht schildert Fahle seine Berufung. „Das spürt man.“ Er kündigte seine Wohnung in Oberhausen, verschenkte die Möbel und ging. „Mitgenommen habe ich nur Bücher und drei Koffer mit Klamotten.“ Im Seminar traf er sehr wenige Gleichgesinnte, in seinem Ausbildungsjahrgang waren sie zu dritt, und fühlte sich häufig „wie auf dem Präsentierteller“. Nicht sein bevorzugter Platz.
2012 zum Priester geweiht
Zugleich konnte er der Situation auch Positives abgewinnen: „Bei drei Leuten gibt es keine Gruppenbildung mehr. Man kann Konflikten nicht so einfach aus dem Weg gehen.“ Und reift an ihnen. So freute sich Fahle auch, gerade zu dieser Zeit ins Ruhrbistum zu kommen, „denn hier tut sich etwas, das andere Bistümer noch leisten müssen: Nahe bei den Menschen zu bleiben, obwohl die Kassen leer sind“.
Nicht in der Karwoche, aber normalerweise genießt der Priesterkandidat einen freien Tag wöchentlich. Dann fährt Fahle gerne mit dem Rad an der Ruhr entlang, und vielleicht langt die Zeit bald auch mal, um an den weißen Wänden Bilder anzubringen. Die Lebenserfahrung lehrt jedoch, dass Provisorien, die nicht gleich nach dem Umzug angegangen werden, oft erstaunlich lange bleiben. „Höchstens zwei Jahre.“ Thomas Fahle lacht. Am Freitag vor Pfingsten 2012 wird er zum Priester geweiht („wenn der liebe Gott und der Bischof wollen“) und seinen Weg in einer anderen Gemeinde fortsetzen.