Mülheim..

Der Ausbruch der hochgiftigen Monokel-Kobra auf Mülheim-Heimaterde ist nach Einschätzung eines Experten eine Folge grober Fahrlässigkeit. Der Schlangenhalter selbst ist laut seinem Bruder gegen nichts versichert. Besondere Kenntnisse werden für die Schlangenhaltung übrigens nicht gefordert.

Kevin O. (19) hat erst am vergangenen Samstag seine hochgiftige Monokel-Kobra auf einer Reptilienmesse in Hamm erstanden. Das ist in Nordrhein-Westfalen nicht verboten. Jeder Privatmann kann Giftschlangen in seinen vier Wänden halten. Ein Sachkunde-Nachweis, wie etwa für das Halten sogenannter gefährlicher Hunde erforderlich, ist nicht vorgeschrieben.

Selbst machte sich Kevin O. am Donnerstag rar, nachdem die Flucht seiner jungen Monokel-Kobra vom Vorabend schnell die Runde gemacht und eine Schar von Fernseh- und Radioteams sowie Pressereportern vor das Mietshaus an der Kleiststraße gelockt hatte. Sein Bruder (26) zeigte sich weniger medienscheu und gab der Medienschar Auskunft, auch wenn etwas trotzig.

Nicht versichert

Kevin jedenfalls, sagte er, sei „nervlich am Ende“ – und der Arbeitslose sei auch gegen nichts versichert. Seit drei Jahren halte sein jüngerer Bruder Schlangen, angefangen habe er damit noch in der elterlichen Wohnung: mit einer ungiftigen Kornnatter. Zuletzt hielt der 19-Jährige eine Boa constrictor, eine Würgeschlange, in seiner 50 Quadratmeter großen Wohnung, in der es laut Zeugenaussagen vor der Entkernung gestern ausgesehen haben soll „wie bei Hempels unterm Sofa“.

Die vor sechs Tagen in Hamm erstandene hochgiftige Kobra habe Kevin in einem Terrarium mit Lüfter gehalten. Der im Durchmesser rund acht Zentimeter große Lüfter sei zum Zeitpunkt der Flucht nicht angeschaltet, das Gitter davor wohl nicht engmaschig genug gewesen, so der Bruder.

Beim Bruder abgeguckt

Hatte Kevin O. überhaupt die Sachkunde, um ein solch gefährliches Reptil sicher und artgerecht unterzubringen? „Er hat bei mir abgeguckt“, so der Bruder. Er selbst halte in seiner Mülheimer Mietswohnung eine Kobra, vier Klapperschlangen, drei Sandviper (alle giftig) und drei harmlose Kornnattern. Seine Kenntnisse zur Schlangen-Haltung habe er sich im Internet und „in der Praxis“ angeeignet. Es gebe Halter, die seien verantwortungslos, dazu zähle sein Bruder nicht. „Er hat einfach einen Blackout gehabt.“

Dieser könnte nun für Unbeteiligte tödliche Folgen haben. Die Kobra wird, sofern sie nichts zu fressen findet, etwa 30 Tage überleben, schätzen Experten. Nachbarn zeigten sich gestern fassungslos, dass in Nordrhein-Westfalen jedermann Giftschlangen halten darf. In anderen Bundesländern, etwa in Berlin oder Hessen, ist es verboten und wird nur in Ausnahmen, bei entsprechendem Sachkundenachweis, genehmigt.

Und Giftschlangen sind günstig zu haben, wie Christian Driesen, Tierpfleger im Terra-Zoo Rheinberg, weiß. Sein Zoo hält aktuell selbst drei Monokel-Kobras. Es seien scheue Tiere, aber wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlten, komme es doch zum hochgiftigen Biss.

Grob fahrlässige Pflichtverletzung

Für 100 bis 150 Euro könnten kleine Monokel-Kobras erstanden werden, sagt Driesen. Das sei das Problem: „Weil es in Deutschland schon für 30 Euro Schlangen zu kaufen gibt, kaufen Leute die Tiere, die gar nicht damit umzugehen wissen.“ Im geschilderten Fall sieht der in der Schlangen-Pflege 20 Jahre tätige Driesen eine grob fahrlässige Verletzung der Pflichten einer ausbruchsicheren Haltung einer Giftschlange. „Es ist verantwortungslos, wenn das Gitter vor dem Lüfter nicht fein genug war“, sagte er der WAZ. „So ein Tier lässt man nicht entweichen.“

Nicht nur das Terrarium müsse für die Haltung von Giftschlangen absolut ausbruchsicher und mit Schloss zu verriegeln sein. Im Raum, wo das Terrarium stehe, seien Fenster stets geschlossen zu halten, am besten mit engmaschigen Gittern davor. Um Türschlitze als Fluchtweg zu verriegeln, seien ein Meter hohe Bretter anzubringen, die dann beim Verlassen des Raumes etwa durch eine Schiebevorrichtung vor die Tür zu platzieren seien.

Ein unaufgeräumter Raum, gar ein Chaos eines Messis (wie bei Kevin O. von Einsatzkräften geschildert) sei absolut ungeeignet. „Das alles spricht nicht für einen versierten Halter“, so Driesen. Er beklagt unter den Haltern „ein gewisses Klientel, das sich sagt: Ach, mein Kampfhund ist weg, kauf ich mir halt eine Klapperschlange.“ Teuer sei das ja nicht. Aber cool.

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