Früh übt sich, sagt sich die eine. Es ist nie zu spät, sagt sich die andere. Beide haben Recht, wenn sie Woche für Woche übers Parkett schweben. Denn beide tanzen für ihr Leben gern Ballett. Nur nicht im selben Kurs – dafür ist der Altersunterschied doch etwas zu groß.
Janna ist drei, Elli 72 Jahre alt. Janna Gerlings und Elli Strauch überlegen ganz kurz, als sie eine Hand schon an der Stange haben und kritisch in den Spiegel neben sich sehen. Dann spreizen sie die Füße zur ersten Position und sind voll in ihrem Element.
„Wir haben viele Dreijährige in der tänzerischen Früherziehung“, erklärt Katrin Sandhöfer, Inhaberin der gleichnamigen Ballettschule in Holthausen. „Sie fangen ganz spielerisch mit dem Ballett an. Aber Janna war schon eine unserer frühesten Frühstarterinnen.“ Sie war gerade erst drei geworden, als sie zum ersten Mal in den Kurs kam. Und ist jetzt, nach fast einem Jahr, längst Expertin: „Am besten ist mit üchern tanzen und Ponygallopp.“ Beides macht sie gleich mal vor, flitzt mit wehendem Tüll durch die Tanzhalle und springt wie ein Pferdchen durch den Flur. Mutter Anne Gerlings tanzt auch gern. „Janna kam aber ganz von selbst darauf, dass sie das gern machen würde“, sagt sie. „Und jetzt gibt es auch zuhause kein Halten mehr.“
Elli Strauch kam erst später zu ihrer größten Leidenschaft. Mit 18 tanzte sie in ihrer Heimatstadt Mülheim zum ersten Mal. „Noch im Gewerkschaftskeller an der Friedrichstraße und im Handelshof, wo heute das Hotel ist“, blickt sie zurück. Dann kamen die Hochzeit und zwei Kinder, noch bis vor zwei Jahren arbeitete Elli Strauch in einer Holzhandlung und einer Galerie. Immer wieder musste das Hobby zurückstehen, immer wieder versuchte sie es jedoch. Mittlerweile tanzt die Mülheimerin seit fünf Jahren bei Sandhöfer und noch in einer anderen Schule. „Jetzt auch richtig“, lacht sie.
Die meisten anderen Kursteilnehmerinnen sind mindestens zehn oder 15 Jahre jünger. Dass Elli Strauch nicht mehr jede Verbiegung an der Stange mitmachen kann, findet sie gar nicht schlimm. Und Katrin Sandhöfer schon gar nicht: „Elli tanzt wundervoll“, schwärmt sie. Und freute sich beim ersten Kennenlernen vor Jahren ganz besonders darüber, dass ihre erste Lehrerin auch einmal Elli Unterricht gegeben hat. Die hat überhaupt schon so einige Kontakte geknüpft: „Mein Tanzpartner mit 18 Jahren ist heute Choreograph in Amerika.“
Elli ist mit dem Ballettsaal in Mülheim vollauf zufrieden – Janna genauso. Sie denkt jedoch auch schon über den nächsten Ponygalopp hinaus. „Ich möchte Ballerina werden“, sagt sie und lächelt dabei. Vielleicht hat Elli in ein paar Jahren ja noch ein paar prominente Kontakte mehr.