„Einer der spannendsten Tage im Jahr” war der 12. März für Udo Balzer-Reher, Festivalleiter der „Stücke”. Im Theater an der Ruhr wurden die Nominierungen für 2010 bekanntgegeben. Erstmals findet auch ein Dramatiker-Wettbewerb in der Jugendabteilung statt.
Doch ehe man zu einzelnen Autoren und Arbeiten gelangte und bevor Bettina Milz, Referatsleiterin in der NRW-Staatskanzlei, den Rang des Mülheimer Treffens würdigen konnte („bundesweit eines der allerwichtigsten Festivals”), sprach zunächst Kulturdezernent Peter Vermeulen ein unumgängliches Thema an: die Sparvorschläge der Stadt. Denn in dieses Paket sind auch die „Stücke” eingeschnürt, denen im Kinder- und Rahmenprogramm eine Kürzung von rund 70 000 Euro droht. Für ihn sei es „leidvoll”, so sagte Vermeulen, dass man nun Wertungen vornehmen müsse, „für die eine oder die andere Sparte. Aber ich komme nicht darum herum.”
Für die 35. Mülheimer Theatertage NRW, die vom 14. Mai bis 5. Juni stattfinden, machte Udo Balzer-Reher folgende Rechnung auf: Der Gesamtetat beläuft sich auf rund 600 000 Euro. Davon trägt 220 000 Euro das Land, 125 000 Euro stammen aus Bundesmitteln, weitere Fördergelder von der Stinnes-Stiftung. Der Eigenanteil, den der städtische Kulturbetrieb zahlt: 250 000 Euro. Hinzu kommt noch einmal die gleiche Summe für Miete und Technik. „Sie sehen, dass wir nur sehr beschränkt fähig sind, den Haushalt der Stadt Mülheim zu retten”, so der Festivalleiter.
Um die Brücke zum diesjährigen Wettbewerbsprogramm zu schlagen: Hier oblag es Wolfgang Kralicek als Sprecher des Auswahlgremiums, die insgesamt sieben Nominierungen für den mit 15 000 Euro dotierten Dramatikerpreis zu verkünden. Er schickte, lächelnd, vorweg: „Es ist uns auch in diesem Jahr nicht gelungen, ein Festival ohne Elfriede Jelinek zu veranstalten.” Die ist bereits zum 14. Mal geladen und erhielt dreimal den Preis. Jelineks diesjähriger Beitrag heißt „Die Kontrakte des Kaufmanns”. Kralicek nennt es „höhnisches Oratorium auf den Kapitalismus”.
Ihrem Stück Konkurrenz machen: Dirk Laucke mit „Für alle reicht es nicht”, Dea Lohers „Diebe”, „faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete” von Ewald Palmetshofer, Kathrin Rögglas „Die Beteiligten”, „Der goldene Drache” von Roland Schimmelpfennig und „Kein Schiff wird kommen” von Nis-Momme Stockmann. Damit sind drei Frauen nominiert, drei österreichische Künstler.
Nicht nur im „Stücke“-Programm 2010 („vielfältig und reichhaltig”), auch generell im neueren Bühnengeschehen glaubt Kralicek folgende Tendenz zu spüren: „Die Autoren wenden sich wieder mehr aktuellen politischen Themen zu. Die Zeit der Wohnzimmer-Familiendramen ist vorbei.”
Schmaler gestaltet sich das Zeitfenster bei den „KinderStücken“ mit Stoff für Menschen ab fünf Jahren: Sie spielen sich vom 17. bis 21. Mai ab und schließen mit einer Premiere. Erstmals ist auch hier ein Dramatikerpreis ausgeschrieben, dotiert mit 10 000 Euro. Nominiert sind, wie Nina Peters als Sprecherin des Auswahlgremiums, eröffnet, fünf Werke. Darunter zwei Produktionen, die im Jungen Schauspielhaus Düsseldorf uraufgeführt worden. „Alice: Im Wunderland!“ etwa, gerade als cineastisches Spektakel am Start, kann man bald nicht nur im Kino dreidimensional erleben, auch auf der Bühne.