Mülheim. .

Einerseits wird vom Sparen geredet, andererseits das Festival „Theater der Welt“ in Mülheim und Essen angekündigt: Der Eindruck vom letzten Aufbäumen der Szene vor dem Theatersterben bleibt nicht aus. Der Mülheimer Intendant Roberto Ciulli fürchtet: „In der Region droht die große Guillotine.“

An dem einen Tag droht die Stadt Essen der Theater und Philharmonie GmbH (TuP) mit Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe. Zwei Tage später verkünden Roberto Ciulli (Chef Theater an der Ruhr), Essens Grillo-Intendant Anselm Weber und Ruhr2010-Direktor Steven Sloane ein famoses Programm für das internationale Festival „Theater der Welt”, das vom 30. Juni bis 17. Juli in Mülheim und Essen stattfinden wird. Auch wenn das eine mit dem anderen nicht unmittelbar zu tun hat, der Eindruck vom letzten großen Aufbäumen der Kulturszene vor dem Theatersterben bleibt nicht aus. Fast klingt es wie eine Farce.

Ciulli nennt es ein Paradox. Eigentlich wollten sie bei dieser Spielplanvorstellung nur positive Nachrichten verkünden, aber um einige kulturpolitische Anmerkungen kommt er nicht herum. „In der Region droht die große Guillotine.” Bleibt zu hoffen, dass eben solche Großprojekte wie das Theaterfestival, die Tanzbiennale oder die „Odyssee Europa” reichlich Strahlkraft auch über das Kulturhauptstadtjahr hinaus hinterlassen.

Beispielhafter Enthusiasmus

An Frie Leysen zumindest wird es nicht scheitern. Die Programmdirektorin von „Theater der Welt 2010” versprüht beispielhaften Theaterenthusiasmus. Sie präsentiert ein Festivalprogramm, das einen Blick von außen auf die Region wirft. Mit insgesamt 32 Produktionen, 120 Vorstellungen und 400 Künstlern aus 24 Ländern plant sie ein Zusammentreffen von Weltsichten, einen „Clash von Visionen”. Und hofft auf abenteuerlustiges Publikum. Schließlich sind nicht alle der eingeladenen Künstler so bekannt wie Rocklegende John Cale (Velvet Underground), der im Salzlager der Kokerei Zollverein sein Bergbau-Oratorium „Dyddiau Du” spielen wird.

Außerdem bleibe ein Restrisiko, denn viele der Künstler entwickeln ihre Aufführungen erst vor Ort, lassen sich inspirieren von „der Schönheit und Grauheit” dieser Region, wie Leysen erklärt.

Die Heilige Barbara und das Kuriositätenkabinett

Zum Beispiel der Historiker und Filmemacher Hans Peter Litscher, der ab dem 2. Juli durch eine Ausstellung von Ernst Adolf Steigers Leidenschaft führt. Der kürzlich verstorbene Bergarbeitersohn sammelte alles zur Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute und Waffenschmiede. Litscher macht das Kuriositätenkabinett in der Villa Rauen zugänglich.

Die eingeladenen Produktionen reichen von Oper über Film, Tanz und Performance bis zum Schauspiel, die Bühnen vom klassischen Theaterraum bis zum Autonomen Zentrum. Zur einfacheren Orientierung im zweigeteilten Programm bieten die Organisatoren Festivalpakete an, die sogenannten kleinen und großen „Mülheimer” oder „Essener”, ein Querschnitt durch das Gesamtprogramm. Oder für die ganz Motivierten den „Kulturhauptstädter” für zehn Veranstaltungen in beiden Städten.

Im Mülheimer Paket könnte zum Beispiel die Eröffnungspremiere der Barockoper „Montezuma“ enthalten sein, eine Neuinszenierung des Mexikaners Claudio Valdés Kuri in der Stadthalle. Oder das autobiografische Schattentanztheater „Nijinsky Siam“ des thailändischen Choreografen Pichet Klunchun im Theater an der Ruhr. Oder es könnte enthalten sein die künstlerische Auseinandersetzung Anna Rispolis (Brüssel/Bologna) mit der Großbaustelle von Ruhrbania im Park an der Stadthalle