Jeder zehnte Mülheimer hat im Monat weniger Geld zur Verfügung, als er ausgibt. Das geht aus dem aktuellen Schuldneratlas Ruhrgebiet der Rating-Agentur Creditreform hervor.

Die Schuldnerquote beträgt für das Jahr 2009 exakt 10,15 %. Damit hat sich die finanzielle Lage der Bürger trotz Wirtschaftskrise überraschend weiter entspannt.

Im Vergleich der Ruhrgebietskommunen weist Mülheim mit 10,15 % die drittgeringste Schuldnerquote aus. Weniger problematisch ist die Situation im Ennepe-Ruhr-Kreis (9,81 %), am höchsten in Gelsenkirchen (14,52 %). In Betrachtung der letzten sechs Jahre zeigt sich, dass die Schuldnerquote in Mülheim bis 2007 auf 12,4 % angestiegen und seither wieder gefallen ist. Dass sie trotz Krise gesunken ist, erklärt Creditreform damit, dass das Instrument der Kurzarbeit viele vor einem Desaster bewahrt habe.

Die Statistik gibt auch Aufschluss über die Verteilung der Überschuldung nach Postleitzahlen-Bezirken. Der beste Wert in Mülheim und den zwölftbesten im Ruhrgebiet ist für den PLZ-Bezirk 45470 ausgewiesen: In Holthausen, Raadt, Menden und Ickten liegt die Quote „nur“ bei 6,72 %, am höchsten liegt sie in Styrum (PLZ 45476; 16,35 %). Weitere Werte: PLZ 45481 — Saarn, Selbeck, Mintard (7,36 %); PLZ 45472 – Heißen (7,66 %); PLZ 45478 – Speldorf (8,9 %); PLZ 45479 – Broich (9,59 %); PLZ 45475 – Dümpten (9,63 %); PLZ 45473 – Innenstadt Nord (11,22 %) und 45468 – Innenstadt Süd (14,52 %).

Das beschert der Schuldnerberatung der Awo Zulauf; trotz sinkender Schuldenquote betreue man immer mehr Menschen, stellt Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling fest. Allein in den ersten Wochen dieses Jahres zählte die Awo 133 neue Klienten. Auf die Beraterinnen, drei in Voll- und eine in Teilzeit, kämen im Jahr pro Person 400 bis 500 zu betreuende Fälle. Zusätzlich ist eine Schuldnerberaterin auf Förderung der Stinnes-Stiftung präventiv an Schulen und Kitas tätig.

Die Komplexität der Schuldenprobleme nimmt zu. „Die Bedingungen werden härter“, sagt Zwilling. Immens höhere Neben- und Betriebskosten für die Mietwohnung seien das eine, die zunehmende Kaufverführung über das Internet das andere. Schnell ließen sich Achtlose ein „kostenloses Handy“ andrehen, ohne zu bemerken, dass die Firmen ihr Geld später mit überteuerten Gesprächsgebühren machten. Zunehmend, so die Beobachtung von Zwilling, werde ein Vergleich mit Gläubigern schwieriger. Sie ließen sich immer weniger auf leistbare Ratenzahlungen ein und seien vermehrt darauf aus, ihre Außenstände ohne Entgegenkommen für die Schuldner schnell wieder reinzuholen.

Knapp könnte das Geld auch bei der Schuldnerberatung selbst werden. Stadtkämmerer Uwe Bonan hat in seinem Konsolidierungspaket die Kürzung von Zuschüssen für die Beratung von verschuldeten Hartz-IV-Empfängern durch die Awo eingeplant. Die Zuweisung will Bonan um 40 % kürzen, das entspricht einem Beratungsplatz.

„Es ist ja erst mal nur ein Vorschlag der Verwaltung“, sagt Zwilling. „Ich hoffe, dass die Politik in diesem Bereich nicht spart, denn das wäre kontraproduktiv.“ Zurzeit erstellt die Awo den Jahresbericht zur Schuldnerberatung. Er soll Argumente liefern.