Steht man außen vor den vergammelten Gebäuden der Hauptschule Bruchstraße – man glaubt kaum, wie engagiert und bewegt das Schulleben im Innern organisiert ist. „Unsere Berufswahlorientierung ist exzellent“, wirbt Schulleiterin Gabriele Klar vor dem Anmeldeverfahren für neue Fünftklässler am 23. und 24. Februar.

Dort, wo mal Mülheims Zukunftsschule stehen soll, tasten sich Schüler heute sechs Jahre lang an die Berufswelt heran. Vielleicht probieren sie in Klasse 5 zunächst an einer Laubsäge – und ihre „Karriere“ endet in Klasse 10 als Abteilungsleiter einer Schülerfirma . . .

Die Berufswahlorientierung beginnt mit dem ersten Schultag an der Bruchstraße. „Für uns als Hauptschule, als absolut benachteiligte Schulform, ist es wichtig, unseren Schülern Perspektiven und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sagt Berufswahlkoordinator Jürgen Parussel. Wer zur Hauptschule in Eppinghofen gegangen ist, soll, so das Ideal des Förderkonzeptes, später „als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt“ sein.

Damit die Schüler diesen Weg gehen können, kommt eben auch die Laubsäge ins Spiel. In Klasse 5 beginnt das Kollegium damit, Stärken und Schwächen seiner Schüler aufzudecken. Da helfen Diagnoseverfahren, aber auch praktische Erprobungen. Wer tut sich im Nachmittagskurs dabei hervor, mit der Laubsäge ein Weihnachtsgeschenk für die Eltern zu kreieren? Ist eine handwerkliche Neigung zu erkennen? Die Schule will die Talente ihrer Schüler aufspüren, immer wieder, fächerübergreifend wird ausprobiert. Nicht nur bei Laubsägearbeiten, etwa auch in der Gartenbau-AG, in anderen Ganztagsangeboten oder im Technik- oder Hauswirtschaftsunterricht. Schüler haben viele Möglichkeiten, in den sechs Schuljahren ihre (beruflichen) Vorlieben zu entdecken.

Was anfangs eher spielerisch vonstatten geht, wird für Siebtklässler konkret. Sie stehen vor der Wahl, in einer von aktuell vier und demnächst fünf Schülerfirmen mitzuwirken. Dafür müssen sie sich bei der Firma bewerben, mit einem Fachlehrer ein Vorstellungsgespräch führen. Wer erfolgreich ist, arbeitet zwei Nachmittagsstunden pro Woche in der Firma mit, selbst ein Aufstieg zum Abteilungsleiter oder zum Geschäftsführer ist möglich. In der Druckerei etwa sind Preise einzuholen und zu kalkulieren, die Einkäufe zu regeln, T-Shirts zu bedrucken . . . Die Schüler proben den Ernstfall des Berufslebens – auch in einer Catering-Firma, der „Tintentanke“, dem Büromaterialien-Vertrieb oder demnächst in der PC-Werkstatt.

In der Jahrgangsstufe 8 folgt auf Basis der erkannten Neigungen ein einwöchiges Produktpraktikum bei kooperierenden Firmen. Etwa könnte die Aufgabe bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte (FWH) lauten, selbst eine Spannpratze zu fertigen. Die Schnupperwoche kann Karriere-Sprungbrett sein. Firmen bieten Schülern, die hier geglänzt haben, eine Partnerschaft an; heißt, wenn’s weiter gut läuft: weitere dreiwöchige Praktika, danach das Langzeitpraktikum (ein Tag pro Woche im Betrieb) – das Bündnis Schule-Betrieb bringt idealerweise später die Lehrstelle.

Es gibt noch mehr Unterstützung auf dem Weg ins Berufsleben: Das „Mehrgenerationenhaus“ bietet im Rahmen der Initiative „Zukunftsschule“ Projektunterricht in Lehrwerkstätten an. Leistungsschwächere Schüler üben sich praktisch im Berufsbildungswerk und bekommen dort Nachhilfe in Deutsch, Mathe, Englisch. Auch stärkere Schüler können gefördert werden (Projekt „Startklar“). Vor Samstagen und Ferien macht das Projekt keinen Halt – „es ist eine Belohnung für die Schüler, daran teilzunehmen“, sagt Parussel.

Wer mit ihm spricht, sieht, wie seine Augen glühend überzeugt sind von dem, was er und 27 Kollegen an der Bruchstraße möglich machen. Er sagt: „Unsere Schüler haben ein Recht auf Arbeit – wir versuchen, diesen Bildungsauftrag eins zu eins umzusetzen.“