Insgesamt 58 Wohnobjekte quer durchs Ruhrgebiet wurden ausgewählt, um typische, aber auch außergewöhnliche Wohnkonstellationen in der Kulturhauptstadt zu repräsentieren.

Vier dieser 58 Objekte befinden sich in Mülheim. Eines davon ist das Dorf der Theodor-Fliedner-Stiftung an der B1 zwischen Saarn und Selbeck.

Unterteilt wurden die für das Projekt ausgewählten Objekte in vier übergeordnete Themenbereiche: Geschichte und Moderne, Urbanität sowie Demografie und Siedlung. Das Fliedner-Dorf steht für die beiden letzteren.

Als der leitende Direktor der Stiftung, Klaus Hildemann, Anfang der 1980-er Jahre sechs renommierte Architekten beauftragte, war es sein Ziel, ein Dorf mit sehr unterschiedlichen Formen und Charakteristika entstehen zu lassen. Zu einem Ort voller Vielfalt und mit Vorbildcharakter wurde das Dorf jedoch erst durch seine rund 600 Bewohner. Menschen mit und ohne Behinderung, alte und junge genauso wie kranke und gesunde Menschen sollen hier in einer gleichberechtigten Gemeinschaft zusammenleben. Und das in einer Atmosphäre, die weit weg sei von Krankenhaus oder klassischem Altenheim, erzählt der Leiter des Bereichs Wohnen im Alter, Uwe Wolfs.

Dass dies ein Anspruch ist, der nicht immer leicht zu erfüllen ist, versteht sich von selbst. Immerhin, da sind sich Uwe Wolfs und Friedhelm Thissen, Leiter des Bereichs für Menschen mit Behinderung, einig, müsse sich auch das Fliedner-Dorf an den Kosten orientieren, die durch die Pflegesätze und andere Einrichtungen vorgegeben werden. Doch in beiden Einrichtungen befinde man sich im Mittelfeld beziehungsweise unter dem Durchschnitt der Kosten anderer Einrichtungen.

Vor allem atmosphärisch setzte man auch im Alltag auf Kleinigkeiten. So werde etwa darauf geachtet, dass außerhalb der intensiven Pflegezeiten keine Servierwagen zu sehen seien oder dass das Personal, von Ausnahmen einmal abgesehen, in Privatkleidung arbeitet.

Im Vordergrund steht im Dorf so immer eine Mischung aus Gemeinschaft und Individualität. In der durchaus ruhrgebietstypischen Siedlungsstruktur des Dorfes gibt es unzählige Begegnungspunkte. Sei es das Bistro im Ortskern, das Rathaus oder die Kirche. Doch vor allem die zahlreichen Kulturveranstaltung von Theater über Schlagerkonzert bis hin zur Fußball-WM sorgten für ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den so unterschiedlichen Bewohnern, sagt Thissen. Eine Verschiedenheit, die nicht spaltet, sondern sich ergänzt. „Dementsprechend soll jeder die Möglichkeit haben, sich so einzurichten und so zu leben, wie er es auch vor seinem Leben im Dorf tat.“ Natürlich gelinge das nicht immer, doch man versuche es, so Wolfs.

Bei aller Gemeinschaft sei es jedoch auch stets das Ziel, offen zu bleiben. Offen für die Bewohner, am Leben außerhalb des Dorfes teilzuhaben, und offen für alle Menschen außerhalb des Dorfes, mal vorbeizuschauen und das Leben dort kennenzulernen. Sei es im Rahmen der Route der Wohnkultur, als fachkundiger Interessent oder einfach als Besucher an einem der anderen 364 Tage im Jahr.