Mülheim. Wenn es auf der Heimaterde so etwas wie eine Hauptverkehrsader gibt, dann ist sie es: die Kleiststraße. In der neuen Serie „Bei uns vor der Tür“ stellt die WAZ ab jetzt jede Woche eine Mülheimer Straße und ihre Bewohner vor.

Auf etwa 1550 Metern leben die Nachbarn hinter geranienverzierten Blumenkästen, gestutzten Vorgartenwiesen und sandfarbenen Fassaden. Die ehemaligen Krupp-Häuser, im Jahr 1918 gebaut, sind charakteristisch für die Siedlung Heimaterde und machen den Charme der Straße aus.

Dabei hat die Kleiststraße neben ihrem Idyll auch Infrastruktur zu bieten: Neben dem Edeka-Markt, einer Fahrschule und der Apotheke geht’s die Straße hoch bis zum Evangelischen Kindergarten und dem Gymnasium Heißen. Die benachbarte Hauptschule hat bereits im Juni 2009 ihre letzten Schüler entlassen. Auf dem verlassenen Schulhof werfen ein paar Jugendliche gerade Basketbälle.

Sandkuchen backen und auf die Rutsche flitzen

Schräg gegenüber der Schule rupft Diane Wißling das Unkraut in ihrem Garten. „Wir wohnen erst seit zwei Jahren hier, haben uns aber schon gut eingelebt“, sagt die Tagesmutter. Hinter ihr im Garten toben gerade ihre Tageskinder zusammen mit den eigenen Kleinen: Leni, Lara, Lilly, Lasse, Phil und Sophia backen Sandkuchen und flitzen die Rutsche hinunter. „Für die Kinder ist die Gegend hier perfekt.“ Kindergarten, Grundschule, Spielplatz – alles können sie zu Fuß erreichen.

Einige Gärten weiter oben spielt Peter Schacht mit seinen Boxerrüden Attila und Drago im Garten. 33 Jahre lang hält es ihn nun schon auf der Kleiststraße. Mit seiner Familie und den beiden Hunden lebt er in einem ehemaligen Krupphaus. „Erst zur Miete, später haben wir das Grundstück dann gekauft“, verrät Peter Schacht. Und erinnert sich: „Damals sah das hier noch ganz anders aus. Da gab es Wiesen und Pferdekoppeln, direkt gegenüber.“ Heute schaut Schacht auf eine Reihe weiß-verputzter Neubauten.

Viel verändert

Es habe sich eben einiges verändert. „Die Straße ist breiter, länger und belebter geworden – aber das ist ja kein Nachteil.“ Eine Sparkasse und eine Pizzeria sind ebenfalls hinzugekommen und liegen nun fast auf gleicher Höhe zu seinem Haus. Zu schätzen weiß Peter Schacht besonders die Nähe zu den Autobahnen 40 und 52, zum Rhein-Ruhr-Zentrum und der Neuen Mitte in Essen-Haarzopf. Und vor allem: „Die gute Nachbarschaft.“

Die wohnt nur einige Hausnummern weiter: Manfred Höning hat sein denkmalgeschütztes Häuschen genau nach seinen Vorstellungen renoviert – in Eigenarbeit. „Seit 2006 wohne ich nun in der Kleiststraße“. Hinten, in seinem Garten, genießt er die Ruhe an freien Tagen. Da stören ihn auch die kleinen und großen Flugzeuge nicht, die regelmäßig über die Siedlung brummen und ständiger Streitpunkt im Stadtteil sind.

Nachbarschaftspflege muss sein

Viel schlimmer findet Manfred Höning, dass die Dreißiger-Zone vor seinem Haus endet und zur Fünfziger wird. „Und zwar genau dort, wo die Schulkinder herlaufen“, sagt er und deutet mit dem Finger auf die gegenüberliegende Grundschule. „Das ist ganz schön gefährlich.“ Auf dem Ascheplatz hinter der Schule feiern die Heimaterdler jedes Jahr ihr Kolpingfest. Mit Bierständen, Karussell und Livemusik. „Da kommt die ganze Siedlung zusammen.“ Nachbarschaftspflege muss sein.

Weiter geht es über den Kreisverkehr hinaus, vorbei an der katholischen Kirche St. Theresia in den zweiten Teil der Kleiststraße. Der reicht fast bis zur Stadtgrenze Essen. Hier ist es schattiger, etwas ruhiger. Spielzeugbagger liegen in Vorgärten, Rosenstöcke blühen in rot und weiß. Nur die sandige Farbe der Fassaden bleibt immer dieselbe.