Selten hat eine politische Debatte im Stadtrat so viel Zoff produziert wie die zuletzt über die frühzeitige Neuvergabe der Stromkonzession.
Die RWE Rheinland Westfalen Netz AG hatte die Stadt darum gebeten, die Neuvergabe zwei Jahre früher als nötig in die Wege zu leiten, um Planungssicherheit für anstehende Investitionen in das Netz zu haben. MBI, Grüne, FDP und Linke sehen sich nun unter Druck gesetzt, alsbald eine Entscheidung zu treffen, ohne ausreichend über Alternativen informiert zu sein.
Wie berichtet, verließen Grüne und MBI noch vor der Abstimmung über eine frühzeitige neue Ausschreibung zur Stromkonzession den Saal. Ihr Beratungsbedarf sei von OB Dagmar Mühlenfeld, pikanterweise RWE-Aufsichtsrätin, ignoriert worden, kritisieren sei. Doch das stimme so nicht, betonen SPD und CDU. Es habe einen alternativen Vorschlag gegeben, der allen Beteiligten mehr Zeit lasse – auch zur Beratung.
Worum es geht: Die Stromkonzession ist ein Vertrag zwischen Kommune und Energieversorger, der Letzterem über die Laufzeit von bis zu 20 Jahren das Recht gibt, Versorgungsleitungen im Stadtgebiet zu bauen, instandzuhalten und zu betreiben. Dafür zahlt der Netzbetreiber der Stadt eine Konzessionsabgabe. Der RWE ist seit 1938 Vertragspartner der Stadt, aktuell zahlt die Netz-Tochter des Energiekonzerns jährlich rund 8 Mio Euro Konzessionsabgabe. Selbst kassiert RWE von anderen Versorgern Geld dafür, dass sie ihren Strom durch das Konzessionsnetz zu ihren Kunden leiten können. Wie hoch diese Einnahmen sind, ist Betriebsgeheimnis, sicher liegen sie aber bei einigen Millionen Euro.
Ein lohnendes Geschäft, das sich viele Kommunen, die ihre Konzessionen neu zu vergeben haben, nicht weiter durch die Lappen gehen lassen. Auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen verzichten laut Bundesnetzagentur Kommunen verstärkt darauf, ihre Konzessionen an Dritte zu vergeben, sondern streben eine Rekommunalisierung an; sprich: Sie kaufen das Netz zurück und gründen, angegliedert an ein kommunales Versorgungsunternehmen, eine Gesellschaft, die das Stromnetz in Eigenregie betreibt. Die Netznutzungsentgelte können dann helfen, Finanzierungslöcher anderswo, etwa im ÖPNV, zu stopfen. Wie steht’s um diese Möglichkeit in Mülheim?, fragen sich MBI und Grüne. Eine Antwort haben sie in der vergangenen Woche im Rat nicht bekommen. So wollten sie nicht über eine vorzeitige Neuvergabe der Konzession entscheiden.
Einen engen Zeitrahmen hat die Verwaltung für das Verfahren vorgezeichnet, das mit Stimmen von SPD und CDU durchgewunken wurde. Schon ab 15. Juli soll das Vergabeverfahren starten. Fünf Monate haben Interessenten Zeit, der Stadt ein Angebot zu unterbreiten. Zum Jahreswechsel will die Stadt mit den Bietern Gespräche führen, im Februar schon soll der Rat einen Zuschlag erteilen. Die Stadt ist hierbei nicht an EU-Vergaberichtlinien gebunden, ihre Entscheidung muss lediglich den Kriterien der Offenheit, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit genügen.
Dr. Hendrik Dönnebrink, Geschäftsführer der städtischen Beteiligungsholding, ist bemüht, die Schärfe aus dem Protest gegen den „voreiligen Gehorsam“ gegenüber RWE zu nehmen. Er betont, das Verfahren sei völlig offen. Selbstredend könne auch die Medl ihren Hut in den Ring werfen. Die Stadt als Gesellschafterin sei aber gehalten, den für sie günstigsten Weg einzuschlagen. Zwischen den Zeilen klang durch, dass der Netzbetrieb durch die Medl als wenig sinnvoll erachtet wird. So müsse die Stadt das Netz von RWE zurückkaufen, die dafür fällige Summe im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich sei bei gegebener Kassenlage freilich kreditzufinanzieren. Auch habe die Stadt andere große Aufgaben vor der Brust, etwa die Modernisierung von Pflegeheimen. Da seien notgedrungen Prioritäten zu setzen. „Wir werden aber sicher mit der Medl Rücksprache halten“, so Dönnebrink.
Vielsagend: Medl-Geschäftsführer Gerd Bachmann mochte sich zu der Konzessionsfrage nicht äußern. Dabei könnte der Ausbau des Stromgeschäftes für die Medl strategisch wertvoll sein.