In der Straßenbahnfahrschule der MVG lernen vier Busfahrer, wie es sich auf Gleisen fährt. Das ist gar nicht so einfach.
Mit Bedacht betätigt Uwe Gebler einige der großen, weißen Knöpfe mit bunten Symbolen an der Armatur. Dann drückt er das Fußpedal und den Schaltknauf leicht herunter, schiebt ihn vorsichtig vor.
Langsam setzt sich die über 20 Tonnen schwere Straßenbahn in Bewegung. Er klingelt, um Passanten zu warnen. „Hallo Leitstelle. Wir sind mit der 293 als Fahrschule unterwegs“, gibt er durch. Dann fährt er vorsichtig in die Kurve. „Langsam und mit Gefühl“, weist Arno Michalke an. Er ist Straßenbahnfahrlehrer und Uwe Gebler einer seiner vier Fahrschüler.
In der Hand hält er eine kleine Fernbedienung mit vier Knöpfen. „Schienenbremse“, „Gefahrenbremse“, „Automat“ und „Glocke“ steht neben den Knöpfen, mit denen er zur Übung und auch im Notfall eingreifen kann. Aber Uwe Gebler hat ein ruhiges Händchen, führt die Bahn weich durch die Schienen. Das ist gar nicht so einfach. „Die Straßenbahn hat eine Bremsverzögerung von 2,5 bis drei Meter, braucht bei 50 km/h einen Bremsweg von fast 50 Metern“, erklärt Michalke. Konzentration und Profilfreiheit seien am wichtigsten. „Man muss für jeden Verkehrsteilnehmer mitdenken“, so Michalke. Auch Gegenstände auf den Gleisen wie Schrauben sind gefährlich, lassen die Bahn entgleisen.
„Man bekommt gehörigen Respekt beim Straßenbahnfahren. Die Strecken sind oft eng und man meint, die Bahn passt da nicht durch. Und mit dem Bus kann ich ja einfach ausweichen, wenn nötig. Mit der Bahn aber nicht“, sagt Verena Erkens, die wie ihre Mitschüler aus Oberhausen kommt und dort für die Sto.AG seit Jahren als Busfahrerin arbeitet. Sie kommen zur MVG in die Duisburger Straße, um Fahrstunden zu nehmen, da es in Oberhausen keine Fahrschule gibt. Am Ende der sechs- bis achtwöchigen Ausbildung sind sie Kombifahrer, können für Bus und Straßenbahn eingesetzt werden.
Uwe Gebler fährt langsam die Oberhausener Straße herauf. Plötzlich bleibt die Bahn stehen. Michalke grinst. Sein Daumen ruht auf dem „Automat“-Knopf der Fernbedienung. „Damit habe ich den Kontakt zwischen Fahrleitung und Stromabnehmer unterbrochen“, sagt er. Gebler muss neustarten. Die Straßenbahn fährt mit Strom. 10 000 Volt vom RWE werden durch vier Unterwerke in Mülheim auf 800 Volt umgespannt. Über den Stromabnehmer gelangt der Strom zum Motor, bildet einen Kreislauf. Gebler drückt das Fußpedal, genannt „Totmann“, und den Schaltknauf herunter. „Nur, wenn beides heruntergedrückt wird, kann die Bahn fahren. Wenn der Fahrer etwa einen Schwächeanfall bekommt und umkippt, wird der Kontakt an Pedal und Schaltknauf unterbrochen und die Bahn legt eine Vollbremsung hin“, so Michalke.
Wenn dagegen ein Fahrgast die Notbremse zieht, hält die Bahn nicht sofort an. Der Fahrer muss bremsen. „Wenn wir durch einen Tunnel fahren und der Fahrgast könnte mit der Notbremse bremsen, dann könnten uns Krankenwagen ja nicht erreichen. Daher muss ich erst aus dem Tunnel herausfahren“, sagt Gebler.
Michalke und seine Fahrschüler passieren eine Baustelle. Die Arbeiter winken sie durch. „Passt!“ „Da sollte man sich nie drauf verlassen“, weiß Michalke, der schon seit 1977 für die MVG fährt. Sowieso passieren Unfälle oft an denselben Stellen. Auf der Friedrich-Ebert-Straße etwa liegen zwischen den Gleisen hunderte kleiner Glasscherben. „Da hat ein Fahrer dann vergessen, den Seitenspiegel einzuklappen, und hat ihn an den Masten abgefahren.“ Der Grund sei, dass die Masten dort schon seit Jahrzehnten stehen. Damals passte die Bahn locker an ihnen vorbei. Auch mit ausgeklappten Spiegeln. „Heute sind die Straßenbahnen um 20 Zentimeter breiter geworden“, so Michalke. In der kleinen Fahrerkabine fehlt ihm heute allerdings ein wenig der Kontakt zum Fahrgast. Der ist in der Straßenbahn eben geringer als im Bus. Spaß macht es ihm und seinen Schülern aber trotzdem auf den Schienen.