Früher ist man flaniert, im feinen Sonntagsstaat, und blieb dabei auf den Wegen, sonst gab’s eine Abmahnung vom Parkwächter. Die Wiesen als Sperrgebiet – das wäre heute undenkbar.

Mit Decke, Fußball und in Freizeitkleidung breiten sich Familien nun auf dem Grün aus und machen den Park zum Garten. Naherholung anno 1936 und im Jahr 2010 könnte kaum unterschiedlicher sein. Doch ein Anlaufpunkt dafür blieb in Mülheim derselbe: das Areal rund um die Freilichtbühne.

Die zwei Sitzplatz-Segmente mit dem Hohlweg in der Mitte und der Rosengarten haben sieben Jahrzehnte so überdauert, wie Erich Schulzke sie erdacht hat. 1933 war er Bauinspektor beim Gartenamt, als er von Gartenbaudirektor Kessler in den stillgelegten Steinbruch an der Dimbeck gerufen wurde. Eine Müllkippe sollte dort entstehen, doch der Amtsleiter wollte lieber was Grünes haben, fertigte eine grobe Skizze an, gab sie Erich Schulzke und sagte: „Na, dann mach’ mal.“

So hat Erich Schulzke es seinem Sohn Henning berichtet. Klar ist, dass Schulze senior machte. Mit Hilfsarbeitern (Henning Schulzke: „Heute würde man es einen Ein-Euro-Job für Langzeitarbeitslose nennen“) wurden Erdmassen nur mit Muskelkraft bewegt, wurde der Rosengarten samt Wasserfall angelegt, ein begehbarer Staudengarten gepflanzt, wurden Findlinge als Dekoration positioniert. An der Wiese oberhalb der Freilichtbühne liegen die Steine nun etwa und gehören inzwischen so dort hin, dass man sie kaum mehr bewusst wahrnimmt. Sonntag noch saßen Fußballfans beim Public Viewing darauf.

Mit Efeu bewachsen und mit Grünspan überzogen umrunden die Steilwände des ehemaligen Steinbruchs Bühne und kleine Wiese; eine Naturkulisse, die man als Zuschauer heute leicht übersieht. Ebenso die alten Mauerreste unten, hinter der Bühnenfläche: aus Stein gehauene Treppen, alte Torbögen finden sich dort hinter Grün. Heute sind sie aus Sicherheitsgründen mit grünen Gittern abgesperrt, früher ritten Akteure mit Pferden die Treppen hinunter zum Karl-May-Festspiel. Boxveranstaltungen, sagt Henning Schulzke, fanden einst regelmäßig statt und Opern. „Carmen war ein besonderes Erlebnis. Die Schauspieler sind damals von den Seiten mit Fackeln eingelaufen.“ Damals war das Rund noch nicht bewachsen.

Ganz früher lag auch die Bühne noch ein Stück tiefer. Im Zweiten Weltkrieg baute man dort einen Stollen, in dem unter anderem das Krankenhaus Schutz fand. „Den Schutt hat man einfach auf die Freifläche geworfen, und dadurch kam die Bühne einen Meter höher“, sagt Schulzke. Das Steinmäuerchen ist das Resultat davon.

Nachdem die Bühne jahrelang brach lag und verwilderte, wird seit Mitte der 1990er wieder Programm gemacht. Seit 2000 kümmern sich Ehrenamtliche um die Spielstätte. Es überrascht nicht, dass Henning Schulzke einer von ihnen ist. „In der Tradition seines Vaters“ sieht sich der 74-Jährige, der auch beruflich in dessen Fußstapfen trat. Den Visionen seines Vaters „wieder Leben einhauchen“ will er so. Dabei freut er sich über den Wandel in der Ausflugskultur, über die picknickenden Familien, über die auf der Wiese tobenden Kinder, über die Gitarrenmusik, die mittwochs spielt. „Es ist gut, dass die Menschen im positiven Sinne von der Fläche Besitz ergreifen. Denn sie gehört ja ihnen.“