Solch eine Ruhe kann es nur geben, wenn ein WM-Achtelfinale auf einen Sonntag trifft. Der Kaiserplatz scheint wie ausgestorben. Dann plötzlich: ein langes, lautes Hupen und „DEUTSCHLAAAND!“

Jogis Mannen haben das Viertelfinale erreicht und Mülheim hat’s gesehen und gefeiert.

Bei Public Viewing treffen Welten aufeinander. In der Heißener Friedenskirche etwa, wo eine Frau lange auf die vorm Altarraum baumelnde Großleinwand schaut und dann fragt: „Wir sind die Weißen, oder?!" Die Männer hingegen, die sich um einen Stehtisch gruppieren, haben die Situation da schon klar erfasst: „Die Engländer spielen, als wären sie gestern noch im Pub gewesen.“ Experte trifft Laie.

Rund 140 Menschen sitzen auf den Kirchenstühlen am Humboldthain und starren wie gebannt auf die Leinwand, vor der eine Kerze mit schwarz-rot-goldenen Streifen flackert. Jede gute Aktion wird beklatscht, geht es zu nah ans Tor, reißt es die ersten vom Stuhl und dann: „Ja... Ja... Ja... JAAA!!!“ In der Friedenskirche wallt ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

An der Freilichtbühne kann man das Spiel gar gleich doppelt sehen. Ein Fernseher und eine Leinwand wurden aufgebaut. Auf der Wiese haben sich viele ausgebreitet, andere sitzen auf Bänken und Plastikstühlen. „Entspannt und familienfreundlich“, findet Alexander Kriz das Rudelgucken an der Dimbeck. Kai Bodtländer hingegen ist froh, dass es inzwischen 2:1 steht: „Das ist spannender.“ Das freut nicht alle. Leicht genervt gestikuliert ein Mann gen Bildschirm: „Der ist im 16er. Der muss schießen, nicht passen!“ Stimmt, finden seine Kollegen – auch diese Experten haben sich um einen Stehtisch positioniert.

Wem die Fan-Gesänge im Fernsehen fehlen, sollte ins Franky’s gehen. „Ihr könnt nach Hause fahr’n“, singen sie auf der Schleuseninsel gen Leinwand. Der Biergarten ist bis auf den letzten Platz belegt, wer zu spät kommt – was in diesem Fall weniger als anderthalb Stunden vorm Spiel bedeutet – muss in die hinteren Ränge, hinter die Hecke auf den Grünstreifen. Ausgelassen ist die Stimmung, wie es eben so ist, wenn Bier mit Temperaturen an die 30 Grad kombiniert wird. Aber friedlich sind die Fußballfans und überglücklich. „Das war das 40. Tor von Podolski“, wirft ein Mann in die Runde – dass er am Experten-Tisch steht, versteht sich von alleine.

Doch für alle anderen gibt es kein Halten mehr. Vereint in Glücksseligkeit, die nur ein deutscher Fußballsieg auslösen kann, umarmen sich wildfremde Menschen, singen und steigen dann in ihre Autos. Hupend und Fahnen wedelnd geht es durch die Stadt. Fortsetzung folgt am Samstag.

Ein Unfall überschattete die Feiern zum Viertelfinaleinzug.

Gegen 19.10 Uhr war beim Autokorso auf der Mellinghofer Straße ein Cabrio mit einem Audi zusammengestoßen. Zwei junge Männer, die in dem offenen Wagen hinten saßen, wurde herausgeschleudert und verletzten sich laut Polizei schwer. Das Cabrio landete auf der Seite in einem Vorgarten. Die Verletzten kamen ins Krankenhaus; Fahrer und Beifahrer blieben nach Polizeiangaben unverletzt. Ebenso wie die Insassen des Audis, der zur Straßenmitte geschleudert wurde und mehrere Begrenzungspfeiler umriss. Schon vor dem Anpfiff hatte die Polizei einzelne Straßen, etwa in Eppinghofen, gesperrt,um die Feier-Fahrten unter Kontrolle zu haben.