Der Freude über das „Schnäppchen“ folgt immer häufiger ein böses Erwachen: Wenn ein Mülheimer ein günstig erworbenes Auto im Bürgeramt ummeldet, sieht er sich plötzlich mit polizeilichen Ermittlungen konfrontiert.
Der Grund: Die Gutachten für Hauptuntersuchung, HU, (im Volksmund immer noch „TÜV-Bericht“) und die Abgasuntersuchung (AU), die beim Um- oder Anmelden eines Fahrzeugs vorgelegt werden müssen, sind gefälscht.
„Solche Fälschungen fallen bei uns – und nicht nur bei uns – verstärkt auf“, hat Amtsleiter Reinhard Kleibrink beobachtet. Bekommt ein Mitarbeiter die falschen Dokumente auf den Tisch, wird die Polizei verständigt. Die Betroffenen müssen eine Aussage machen, werden als Zeugen vernommen.
„In der Regel ist der letzte Käufer das Opfer,“ sagt Kriminalhauptkommissar (KHK) Rudi Ständer. Er bearbeitet solche Fälle von Urkundenfälschung und Betrug im KK 33 bei der Polizei Essen/Mülheim und bekam allein in den letzten drei Tagen täglich einen Fall aus Mülheim auf den Tisch. Sein subjektiver Eindruck: Die Taten nehmen zu. Hatte er 2009 noch 21 Fälle aus Essen und Mülheim zu bearbeiten, so waren es in diesem Jahr schon 24, aus beiden Städten. Auch seine 13 Kollegen im Kommissariat haben gut zu tun. Gefälscht werden, so Ständer, Gutachten aller Anbieter, die Hauptuntersuchungen durchführen dürfen.
Dass ein Auto im Verkaufswert steigt, wenn es noch zwei Jahre „TÜV“ hat, ist für Kriminelle keine neue Erkenntnis. Doch im Gegensatz zu früher, wo nach der Erfahrung Ständers geklaute Kennzeichen-Siegel oder HU-Stempel eher sporadisch verwendet wurden, habe sich das Bild gewandelt. Die Betrügereien liefen inzwischen „im großen Stil“ ab – und die Betrüger verfeinerten ständig ihre Methoden.
Waren gefälschte Gutachten von TÜV, Dekra und Co. vor einiger Zeit noch auf den ersten Blick zu erkennen, so müssen selbst Fachleute bei den Dokumenten, die mit Hilfe von PC, Scanner und Drucker entstehen, heute genau hingucken: „Weil die Technik, mit der die Täter arbeiten, zu gut ist“, weiß Ständer. Woher soll auch ein Laie wissen, dass die Stempelnummer auf seinem „TÜV-Bericht“ nicht stimmt, der Name des angeblichen Gutachters erfunden ist? Wer sich mit gefälschten Gutachten in einer Schrottkarre bewegt, gefährdet zudem sich und andere, ohne es zu wissen.
Es trifft übrigens nicht nur Pkw und Kleinlaster, die an den großen Umschlagplätzen wie dem Essener Autokino für wenige hundert Euro den Besitzer wechseln. Der Schaden, der einem Käufer entstehen kann, ist manchmal sogar fünfstellig, weiß Ständer.
Das Fälschen von HU-Gutachten und manchmal auch von Stempeln für die Kennzeichen ist das eine, das Verwischen der Spuren das andere, was die Täter gut beherrschen. Manchmal wechseln Autos ohne „TÜV“ – darunter auch Fahrzeuge, die angeblich ins Ausland gebracht werden sollten – so häufig den Besitzer, dass die Polizei am Ende bei dem vor der Tür steht, der das Auto zuletzt auf sich zugelassen hatte. Und es guten Glaubens, womöglich nur zum Ausschlachten und nicht für die Straße, weiterverkauft hat. Auf den Kaufverträgen der Zwischenbesitzer findet die Polizei oft Adressen, die nicht auffindbar sind, oder falsche Handynummern. „Die Ermittlungen“, sagt Ständer, sind schwierig und langwierig.“
Und zu Beginn steht immer der Schock im Bürgeramt, wenn Autokäufer erfahren, was los ist. Amtsleiter Reinhard Kleibrink: „Die Leute fallen hier aus allen Wolken“. Nicht nur, weil die Polizei dann genau wissen will, woher das Auto kommt. Sondern weil ihnen klar wird, dass sie für eine Schrottkarre ihr gutes Geld ausgegeben haben.
Der Tipp: Wer aufmerksam ist, kann sich beim Autokauf besser vor den gefälschten Dokumenten schützen. Kommissar Rudi Ständer verweist darauf, dass die falschen Berichte mit Tintenstrahldruckern entstehen und daher die Farben verwischbar sind – bei echten Gutachten sei das nicht so. „Achten Sie bei den Gutachten auf das Schriftbild, auf Tippfehler oder zu viele Leerzeichen“, rät er.
Er empfiehlt auch, Autos nicht mit Handschlag-Verträgen zu verkaufen oder zu kaufen, sondern „ordentliche“ Vertragsvordrucke, wie sie etwa die Automobilclubs anbieten, zu verwenden. Auch sollte man sich den Ausweis des Handlungspartners zeigen lassen. Wenn ein Verkäufer kurzfristig HU- und AU-Bescheinigung „besorgen“ kann, das auch noch für sehr wenig Geld, sollte man als Käufer misstrauisch werden.
Bei HU-Plaketten auf den Kennzeichen erkennen Experten der Polizei übrigens auch die perfekt nachgemachten Exemplare unter besonderen Lampen.