Wo Menschen Tür an Tür wohnen, lassen sich Störungen kaum vermeiden. Wenn es ernsthaften Nachbarschaftsärger in einem Haus der MWB gibt, dann wird Rüdiger Szapons eingeschaltet.
Der 52-jährige Sozialarbeiter und Familientherapeut bietet seine Dienste seit zwei Jahren als selbstständiger Unternehmer an. Damals verspürte Szapons den Wunsch nach Veränderung und erkannte: „Wenn, dann jetzt.“ Er ging die Existenzgründung an, mietete sich im Haus der Wirtschaft ein, nach 26 Jahren Berufserfahrung, zunächst in einer psychiatrischen Klinik, dann u.a. im betreuten Wohnen und in der ambulanten Betreuung.
Die Mülheimer Wohnungsbau e.G ist einer seiner Auftraggeber, seit anderhalb Jahren. In der Regel sind es Beschwerden von Mietern über Nachbarn, die bei der MWB ankommen und – falls sie gravierender scheinen – per Mail an Szapons Büro weitergeleitet werden. Dieser schaut dann bei der Adresse vorbei.
Flurwochen vergehen, ohne dass geputzt wird, Schnee bleibt liegen oder die Abendruhe aus: Es sind häufig diese Klassiker des Nachbarschaftsstreites, die Szapons auf den Plan rufen. „Ich bin nicht der Schiri, sondern versuche zu erreichen, dass die Menschen miteinander reden.“ Viele Konflikte ließen sich durch Vermittlung vor Ort lösen: „Vermeidbar ist, dass Kinder um 23 Uhr aus dem Hochbett springen, so dass den Leuten darunter fast die Lampe runterfällt.“ Gelegentlich arrangiert er ein Gespräch auf neutralem Boden, in Räumen der MWB. Es kommt allerdings auch vor, dass am Ende eine der Parteien auszieht.
Ein anderes Feld, auf dem es häufig kracht: Haustiere. Über Schlangenhaltung in der Wohnung wurde schon vor dem Malheur mit der Kobra gestritten. Aktuell befasst sich Szapons mit einem Hängebauchschwein. Es stinkt, klagen die Nachbarn, und gehört nicht ins Haus. „Es passt nur nicht ins Raster“, sagt der Sozialarbeiter. Er ließ einen Veterinär kommen: „Der sah keinen Grund, das Tier zu entfernen.“ Bislang ist das 40 Kilo schwere Schwein noch da: tagsüber im Garten, abends in der Wohnung. Bei MWB sind sie skeptisch: ein noch ungelöster Fall.
Viele Konflikte haben aus Szapons Sicht einen kulturellen Hintergrund, beziehungsweise: beruhen auf Vorurteilen. So hat er schon erlebt, dass sich die Klage „Da wohnen 20 Leute, es ist schmutzig und stinkt“ bei einem Besuch vor Ort in Luft auflöste. Was er lediglich vorfand: „Landestypische Lebensmittel in der Küche.“ Wenn die Beschwerdeführer daraufhin ihre Wahrnehmung überprüfen, war Szapons Einsatz erfolgreich.
Sein Unternehmen hat, außerhalb der MWB, weitere Standbeine, u.a. ambulant betreutes Wohnen für Behinderte oder Suchtkranke sowie Supervision und Fortbildung für Profis. Als Rüdiger Szapons 2008 die Firma gründete, kalkulierte er so: „Wenn ich nach zwei Jahren einen Mitarbeiter einstellen kann, ist es erfolgreich.“ Inzwischen sind fünf Leute für ihn tätig, überwiegend Sozialarbeiter. Nächste Woche bezieht er ein geräumigeres Büro, mit 48 qm dreimal so groß wie die bisherige Minizentrale. Er sagt: „Ich bin sehr zufrieden.“
Was ihn mit anderen Existenzgründern verbindet: überlange Arbeitstage, die kaum Raum für Hobbys lassen. Aber es wird besser. „Mit meinem Motorrad bin ich 2009 nur 1000 Kilometer gefahren. Das passiert mir dieses Jahr nicht.“