Horst Stemmer ist einer der Rentner, die nie Zeit haben. Allerdings ist er selten für sich selbst unterwegs, sondern meistens für andere: Zwei Tage in der Woche verbringt er etwa im Altenheim Kuhlendahl.
Auf Abruf begleitet er zudem im Ev. Krankenhaus als Grüner Herr Sterbende und übernimmt Sitzwachen. Und als erster Vorsitzender des MVG Frohsinn 1852 ist er eigentlich im Dauereinsatz, plant aktuell etwa gleich zwei Benefizkonzerte. „Nur im Garten sitzen kann man ja auch nicht“, findet er.
Als Hobby, als Ausgleich zum Berufsalltag des Selbstständigen fing es an: Seit 66 Jahren ist Stemmer Mitglied des Männergesangsvereins Frohsinn 1852, seit 42 Jahren wirkt er im Vorstand mit. Doch nachdem er sein Geschäft in Heißen-Mitte aufgab, „entstand ein gewisser Lehrlauf“. Mehr Zeit für seinen Chor hatte er fortan, brachte sich noch stärker ein. Doch dieses Ehrenamt reichte ihm nicht.
Denn der heute 73-Jährige wusste, dass er sich für Menschen, „die körperlich in Not geraten sind“, einsetzen wollte. Ein Wunsch, der vielleicht auch aus der eigenen Biografie entstand. „Wir haben einen stark behinderten Sohn und wissen um die Schwierigkeiten, die daraus entstehen können.“ Doch während sein Sohn wichtiger Teil der Familie ist und im Fliedner-Dorf lebt, wo auch seine Schwester arbeitet, dachte Stemmer an die Menschen, die eingeschränkt sind und dabei allein.
Im Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) fand er für sich passende Einsatzgebiete. Seit etwa vier Jahren besucht er nun zweimal wöchentlich das Altenheim Kuhlendahl. „Einmal gehe ich mit den Bewohnern spazieren und einmal singe ich mit ihnen.“ Inzwischen hat sich in der Einrichtung so ein richtiger Chor gegründet. Die „Kuhlendahl-Lerchen“ zwitschern am liebsten Volkslieder. „Viel Freude“ macht dem Broicher die Zeit, die er dort verbringt, ebenso wie die Gemeinschaft im Männerchor.
„Bei der Aufgabe im Krankenhaus kann man natürlich nicht direkt von Freude reden“, räumt er ein und nennt es lieber eine „innere Befriedigung“, die ihm sein Einsatz dort bringe. Sterbende begleitet er im EKM, hält ihre Hand, trocknet die verschwitzte Stirn, spricht ihnen gut zu. Sitzwachen übernimmt er zudem: Neben kranken Menschen, die nachts sehr unruhig sind, nimmt er dabei Platz, passt auf, dass sie im Bett bleiben, dass sie genug zu trinken haben, dass sie ihre Nachtwäsche anbehalten. „Das mache ich auf Abruf“, erzählt er und dass so eine Wache jeweils zwei Stunden in der Nacht dauere. „Das reicht dann aber auch, das ist sehr anstrengend.“ Der „christliche Gedanke“ ist für Horst Stemmer ebenso wie für seine ebenfalls ehrenamtlich aktive Frau Edelgard Motivation, sich zu engagieren. Nächstenliebe leben sie so. Und: „Wichtig ist auch die Mischung.“ Die fröhlichen Stunden im Chor und im Altenheim und die fordernden Einsätze im Krankenhaus schufen einen „Ausgleich“. Und dann der Einsatz für andere richtig Spaß.