Das Theater Mülheimer Spätlese hat sich im Laufe der Jahre über die regionalen Grenzen hinweg einen Namen in der Seniorentheater-Szene erspielt. Ihren 20. Geburtstag feiert die Bühne im September.

Von Anfang ist Eckhard Friedl mit dabei. Mit dem Theaterleiter spricht WAZ-Redakteurin Margitta Ulbricht.

Was gibt’s Neues?

Friedl: Wir arbeiten derzeit an einem neuen Stück, aber wir haben auch noch weitere Projekte im Anschlag. Dann planen wir schon für 20 Jahre Mülheimer Spätlese im Herbst mit Theaterfest und Festprogramm. Und wir haben wieder Einladungen zu Festivals. Am 2. Oktober treten wir beim Theaterfestival Herzrasen in Hamburg auf. Und dann sind wir natürlich bei den „Local Heroes“ mit dabei. Der September wird für uns eine ganz harte Zeit. Aber wir haben uns im Ensemble darauf eingerichtet, denn 20 Jahre wird man nur einmal.

Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?

Ja, sogar noch ganz gut. Es war als Projekt mit „Verfallsdatum“ gestartet, das heißt, auf ein Jahr begrenzt. Aber es lief erfolgreich an, die Resonanz war riesig groß.

Hat das damit zu tun, dass es in Mülheim viele ältere Menschen gibt?

Ich glaube einfach, dass im Zuge von Orientierung und der Frage, wo will ich hin im Alter? damals schon eine neue Generation von Älteren an den Start ging, die für sich etwas suchten, wo sie sich aktiv engagieren können. Dabei geht es auch um eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und um ein soziales Umfeld. Die vorherige Generation war noch stärker an Familie gebunden.

Und wie ist das heute?

Ich denke, dass die Familie immer noch einen großen Stellenwert hat, dass aber auch der Aspekt der Lebensgestaltung im Alter ganz wichtig geworden ist, viel wichtiger noch als in meiner Großelterngeneration. Jetzt kommen ja die 68er, die in Rente gehen. Die „Alten“ sind jetzt die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben.

Wirkt sich das auf die Theaterarbeit aus?

Ja, allein schon, was die Musik ausmacht. Da werden schon mal die Rolling Stones aufgedreht. Es kommt eine Generation, die vom politischen Bewusstsein und von Fragen der Selbstverwirklichung ganz anders gelagert ist.

Spiegeln die Stücke diese Haltung wider?

Wir machen Eigenproduktionen. Und das ist die erfolgreiche Konzeption von Anfang an. Das Theater hat immer wieder aktuelle Themen aufgegriffen und dazu Stücke entwickelt. Damit können wir auch auf die Menschen reagieren, die mitmachen. Die Themen kommen aus dem Ensemble heraus. Dadurch ist das Stück schon in der Auseinandersetzung damit interessant und wichtig.

Sind die 68er auch heute noch „revolutionär“?

Ich würde sie als Menschen mit einem kritischen Blick auf die Dinge, die in unserer Gesellschaft passieren, beschreiben. Sie nehmen nicht alles unreflektiert hin. Wenn sie Zeitung lesen und Nachrichten hören, bringen sie eine eigene eigene Meinung mit.

In den Stücken werden oft ernste Themen aufgegriffen wie Missbrauch. Sie gehen damit auch in die Schulen.

Ja, wir hatten auch das Thema straffällige Jugendliche und Gewalt. Oder das Neueste was kommen wird, ist die Auseinandersetzung mit unserer Informationsgesellschaft.

Warum spielen sie keine Komödien?

Die Themen werden bei uns durchaus komödiantisch in den Blick genommen - es ist nicht nur bitter ernst. Wir schreiben unsere Stücke selber, um den Erfahrungsschatz der Älteren mit einfließen zu lassen. Wir spielen keine fertigen Komödien, das können andere besser. Definitiv. Wir gucken, dass wir uns auf die Stärken der Teilnehmer besinnen- das sind eben Lebenserfahrung und die kritische Auseinandersetzung.

Ist auch der Generationenkonflikt ein Thema?

Ja, wir haben auch dieses Thema schon bearbeitet. In „Reichtum des Alters“ haben wir ganz klar das Bild von Jung und Alt unter den verschiedensten Aspekten beleuchtet. Wir machen unsere Stücke thematisch so weit auf, dass sie auch interessant werden für Jüngere. Denn wir sind kein Theater, wo Senioren für Senioren spielen.

Welchen Anspruch haben die Mitwirkenden?

Ich glaube, dass die Älteren, die beim Theater mitmachen wollen, mit der Haltung kommen, dass sie sich engagieren und ihre Sache gut machen wollen. Wir müssen die Ehrenamtler für die verschiedenen Bereiche gewinnen und wir müssen sie fordern und fördern. Und dazu brauchen wir in allen Bereichen Kontinuität, auch in der Leitung.

Sie haben mit 30 Jahren angefangen und sind seit 20 Jahren Theaterleiter. Wenn Sie selber mal in Rente gehen, könnten Sie sich vorstellen, mitzuspielen?

Ich würde gern mal wieder spielen, wäre aber dann wahrscheinlich ein ganz, ganz schwieriger Kollege. Wenn, dann bräuchte ich eine sehr kompetente und engagierte Spielleitung.