Wenn Matthias Hegemann am 14. Juni beim Klavier-Festival Ruhr spielt, Seite an Seite mit Lang Lang, ist das sein bisher größter Auftritt. Erstaunlich, dass dieser zwölfjährige Junge kein Lampenfieber zu kennen scheint.

Und hier die Aussichten für kommenden Montag: Matthias, ein schmales Kind, sitzt am schweren Konzertflügel in der Essener Philharmonie. Etwa 1900 Zuschauer beobachten alles, was er auf der Bühne macht. Bei dieser Vorstellung könnte man leicht nervös werden. Doch der Nachwuchspianist, der mit seinen Eltern in Speldorf wohnt, klingt gelassen. Vor jedem Auftritt verspüre er ein Kribbeln, „aber wenn ich auf die Bühne gehe, ist es weg“.

Dass es am 14. Juni genauso funktioniert, daran zweifelt er nicht. Egal, wie voll der Saal sein wird. „Je mehr Leute ich mit meiner Musik erfreuen kann, desto besser“, sagt Matthias allen Ernstes, wenngleich er dabei lacht.

Mit dem Klavierspielen begann er als Vierjähriger, lernte lange an der Mülheimer Musikschule, gewann eine Reihe von Nachwuchswettbewerben und gehört seit Frühjahr 2009 zu den Talenten, die der prominente Pianist Lang Lang über eine persönliche Stiftung fördert. Als Stipendium wurden 5000 Euro überwiesen. Das Geld ist gedacht für Professorenstunden, Reisen zu Konzerten und ähnliche Dinge, erklärt Stephan Hegemann, der den Jungmusiker als Vater, Fahrer, Manager und privater Pianopädagoge intensiv begleitet. „Er spielt besser als ich, aber beim Musikverständnis kann ich noch gut Schritt halten.“

Stephan Hegemann ist von Beruf Informatiker, selbstständig, vor allem im Bereich Aus- und Fortbildung beschäftigt. Matthias’ Mutter arbeitet als Gesangs- und Blockflötenlehrerin, während der Sohnemann inzwischen die Kölner Musikhochschule besucht, die ihn erst kürzlich als Jungstudenten aufnahm.

Für ihn bedeutet das: Schon als Sechstklässler von Professoren unterrichtet zu werden, in Harmonielehre, Biographiekunde, Stimmbildung. Für die Familie heißt es: Ihr einziges Kind dreimal monatlich, und zwar freitags wie samstags, nach Köln zu kutschieren. Für die Klavierstunden sogar bis nach Bonn.

Hegemanns zahlen die üblichen Semestergebühren von 380 Euro. Aber die Fahrtkosten sind enorm, und alle Beteiligten investieren eine Menge Zeit. Gemeinsame Freizeit bekommt Seltenheitswert.

Am Freitagnachmittag, wenn sich seine Mitschüler vom Duisburger Landfermann-Gymnasium auf das Ende einer anstrengenden Woche freuen, sitzt Matthias Hegemann hellwach im Auto nach Köln. Es wirkt, als steckt in dem schmalen Zwölfjährigen, der gerne Raumschiffe aus Legosteinen baut, eine ungewöhnliche Energie.

Er sagt: „Ich gehe sehr gerne zur Schule.“ Kein einziges Fach bereite ihm Stress. Er übt, darauf legt der Vater besonderen Wert, freiwillig jeden Tag. Inzwischen sind es zwei Stunden: „Die Stücke“, sagt Matthias, „werden ja anspruchsvoller.“ Und nebenher bleibt offenbar immer noch Zeit, sich mit Freunden zu treffen, Fußball zu spielen. Bei all dem wirkt er fröhlich.

Ob dem Klaviertalent dieses Hochleistungs-Programm auch mit 15 oder 16 noch zusagt, weiß niemand ganz sicher. Aber die Eltern sind zuversichtlich, „weil er es von sich aus macht. Er wird niemals gedrängt.“ Dennoch wird es in den Sommerferien drei Wochen geben, in denen Matthias keinen Ton spielt und trotzdem alle zufrieden sind. Die Familie macht Urlaub in Österreich. Und ins Wohnmobil passt einfach kein Piano.