Mülheim. .
Die klamme Stadt Mülheim denkt über einen umfangreicheren als den bisher angedachten Stellenabbau nach, sollte die Politik weitere Leistungen kürzen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben - aber denkbar wären Abfindungs-, Altersteilzeit- oder Ruhestandsregelungen.
Ist die Stadtverwaltung zu üppig aufgestellt? Darüber streitet die Politik nicht erst, seitdem der Nothaushalt droht. Kämmerer Uwe Bonan sagt, maximal 184 Stellen seien einzusparen, ohne Leistungen für Bürger einzuschränken. Auch steht das Wort der OB: keine betriebsbedingten Kündigungen.
Wie die WAZ erfahren hat, denkt die Stadtkanzlei dennoch über einen umfangreicheren Stellenabbau nach: Sie würde Mitarbeiter, wenn Politik weitere Leistungen kürzt, gerne zum freiwilligen Abschied bewegen – und mit Geld fürs Nichtstun locken.
Vorbild für ein solches Anreizsystem, das aktuell auch von der CDU ins Spiel gebracht worden ist, ist ein Landesgesetz zum Personalabbau in der Landesverwaltung von 2007. Angestellten wurde damals angeboten, gegen eine Abfindung von maximal 50 000 Euro auszuscheiden. Möglich war auch gut dotierte Altersteilzeit. Beamte konnten gegen ein üppiges Ruhegehalt von 72 % gar in den einstweiligen Ruhestand gehen. Fast 2500 Landesbedienstete nahmen die Angebote dankend an.
Keine landesgesetzliche Grundlage
Das, so Stadtkanzlei-Chef Frank Mendack, sei eine Überlegung, die die Stadt Mülheim umtreibe. Zwar gibt es hierfür bislang keine landesgesetzliche Grundlage, doch wolle man in Düsseldorf abklopfen, ob entsprechende Anreizsysteme gerade in Zeiten leerer Kassen nicht doch geduldet würden. Freilich müssten die Mülheimer Entscheidungsträger im Fall der Fälle „auch politisch ertragen, dass man Geld zahlt fürs Spazierengehen“.
Personalrats-Chef Bernd Bittscheidt erklärte gestern grundsätzlich Verhandlungsbereitschaft, solange ein Ausscheiden auf Freiwilligkeit basiere und die Anreize „lukrativ“ seien. Klar müsse aber sein, dass weiterer Personalabbau wegen der bereits stattgefundenen Arbeitsverdichtung in vielen Bereichen nur mit einem Abbau von Dienstleistungen und längeren Bearbeitungszeiten zu realisieren sei.
Mendack und Personaldezernent Dr. Frank Steinfort stimmen da zu. Sie betonen darüber hinaus, dass alle Beamten und 1313 Tarifbeschäftigten wegen ihrer Dienstjahre unkündbar seien, das seien 72 % aller Beschäftigten in Kernverwaltung und Eigenbetrieben. Von den „kündbaren“ Angestellten seien viele mit gesetzlich verpflichtenden Aufgaben betraut, so 259 im Amt für Kinder, Jugend, Schule und 100 im Sozialamt und in der Sozialagentur. Die Arbeitsdichte, so Steinfort, sei schon jetzt an ihrer Grenze.
Gut bezahlte „Spaziergänger“ und ihre öffentliche Wirkung
Mendacks Schlussfolgerung: Um Personal über die angedachten 184 Stellen hinaus abzubauen, wäre besagtes Anreizsystem ein probates Mittel. Jurist Steinfort indes macht keinen Hehl daraus, dass er wenig vom Ansinnen der Stadtkanzlei hält. „Neben diesem Wunschdenken bräuchten wir die Befugnis dazu in der Landesgesetzgebung. Da es diese nicht gibt, glaube ich nicht, dass die Bezirksregierung diesen Rechtsbruch dulden würde.“ Zu bedenken sei auch die Wirkung gut bezahlter „Spaziergänger“ bei den Bürgern.
Die Bezirksregierung weiß um den Willen einiger Städte, diesen Weg beschreiten zu wollen. Man sei aber gehalten, darauf zu achten, dass „Beamten- und Kommunalrecht nicht ausgehebelt werden“.