Wenn andere Menschen sich noch mal im Bett umdrehen, andere sich eine Stulle schmieren, dann dreht sich bei Frank Steinbach schon alles um die eine Frage: Wie komme ich heute günstig an frisches Geld?
Steinbach ist sogenannter Cash-Manager bei der Stadt – und da diese chronisch klamm ist, vergeht kaum ein Morgen, wo sie sich nicht dringend Geld beschaffen muss fürs laufende Geschäft.
Egal ob es 200 000 oder am Monatsende, wenn etwa Gehälter und Sozialhilfe zu zahlen sind, 5 Mio Euro seien, die morgens fehlen, sagt Steinbachs Chef Jürgen Schürmann als Amtsleiter des Zentralen Finanzmanagements: „Wir müssen das Geld beschaffen, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, Dispositionskreditzinsen zahlen zu müssen.” Die sind teuer – und deshalb will jeden Tag aufs Neue geprüft sein, wie viel Geld reinkommt und rausgehen muss. Die Tage, an denen genug Flüssiges da ist, sind rar; es sind etwa die Tage, an denen Steuern fällig sind. Das Lächeln von Amtsleiter Schürmann ist ein müdes, wenn er sagt: „Im Regelfall sind die Ausgaben höher.”
Kein Wunder, hält sich die Stadt aktuell nur mit einem Kassenkreditvolumen von 405 Mio Euro über Wasser. Tendenz: steigend. Die Kreditlaufzeit beträgt dabei bis zu drei Jahren, wegen der Niedrigzinsphase zurzeit hantieren die städtischen Geldbeschaffer Steinbach und Lars Lauterbach vermehrt mit Tagesgeld, heißt: Was ich heute brauche, hole ich mir, und morgen lösche ich den Kredit mit einem neuen. Rund 165 Mio Euro gilt es, täglich neu zu disponieren.
Täglich grüßt Steinbach das Haushaltsloch. Für den Kassensturz zieht er sich von den Bankrechnern die Auszüge der Girokonten, darunter acht bei verschiedenen großen Geschäftsbanken, über die die Zahlungseingänge der Bürger abgewickelt werden, darunter aber auch ein Konto bei der Bundesbank, über die der Zahlungsverkehr mit der öffentlichen Hand läuft. Auf elektronischem Weg laufen gegen 8 Uhr die Zahlungsanforderungen aus der städtischen Finanzbuchhaltung ein. Damit es keine großen Überraschungen gibt, sind die Ämter angewiesen, größeren Geldbedarf vorab anzumelden. Da ist schnell klar, wie groß mal wieder die Lücke ist.
Per Eilauftrag verschiebt Steinbach die Beträge der einzelnen Konten auf das städtische Hauptkonto bei der Sparkasse, von dem aus später die Zahlungen rausgehen. Etwa ab 9 Uhr machen er und sein Kollege sich daran, Tagesgeld-Angebote von Banken einzuholen, manchmal wird telefonisch nachverhandelt. Es sind gar nicht viele, die da zu fragen sind – laut Amtsleiter Schürmann können nur wenige so günstige Konditionen bieten, dass sie als Partner infrage kommen. Und es seien Konditionen, „von denen jeder Privat- und Geschäftsmann nur träumen kann”. Klar: Kommunen sind weder mit Ausfallrisiko behaftet noch in ihrer Bonität gewertet. Sie sind sichere Kreditnehmer.
Manchmal werden 100-Mio-Euro-Kredite von einem auf den anderen Tag von einer zur anderen Bank bewegt, wenn dort der Tagesgeldzins niedriger ist. Tagesgeldbeschaffung ist Tagesgeschäft: Ich hol' mir Geld bei dem, der mir den besten Zins bietet. Zocker-Mentalität ist hier fehl am Platze. Unsicherheit herrscht eher in der Frage, ob man auf Tagesgeld oder in Erwartung steigender Zinsen eher auf längerfristige Kassenkredite setzt. „Das ist eine Glaubensfrage”, sagt Schürmann. „Man weiß erst im Nachhinein, ob man richtig gelegen hat.”