Die AOK startet ein neues Projekt in drei Mülheimer Pflegeheimen: Das Sturzrisiko soll verringert werden. Für mindestens sechs Monate werden "Kraft-Balance-Trainings" angeboten. Pflegekräfte werden für das Angebot ausgebildet.

25 000 Senioren erleiden jährlich in deutschen Pflegeheimen bei einem Sturz eine Hüftfraktur – „eine erschreckende Zahl”, so die AOK. Die Krankenkasse und die Mülheimer Sozialholding reagieren nun darauf. Beide Partner wollen dem Sturzrisiko bei älteren Menschen mit einem neuen Projekt entgegenwirken: Für mindestens sechs Monate werden bald in drei Mülheimer Pflegeheimen – Haus Gracht, Haus auf dem Bruch und Haus Kuhlendahl – sogenannte Kraft-Balance-Trainings angeboten. Sie sollen die Muskeln und den Gleichgewichtssinn der Bewohner stärken. So soll es seltener zum Fall kommen.

Denn: Eine schwache Muskulatur, wie sie zum Beispiel oft durch langes Liegen entsteht, schwindendes Koordinationsvermögen oder auch falsch eingestellte Medikation sind die häufigsten Gründe für Stürze. Zumindest Muskulatur und Koordinationsvermögen könnten mit dem neuen Training gestärkt werden, so die Initiatoren.

Pflegekräfte werden ausgebildet

Die Pflegekräfte aus den teilnehmenden Seniorenheimen werden für dieses neue Angebot in zwei speziellen Workshops ausgebildet und mit dem Konzept vertraut gemacht. Lehrkräfte dafür sind geschulte Mitarbeiter des Institutes für Betriebliche Gesundheitsförderung, dessen Haupteigentümerin die AOK ist. Die Krankenkasse übernimmt alle Kosten. Schon am 2. Oktober wird der erste Lehrgang stattfinden.

Ihre Kenntnisse sollen die Pflegekräfte an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen an die Senioren weitergeben – ein- bis zweimal pro Woche werden in den Heimen Kraft-Balance-Kurse gegeben. Stefan Mühlenbeck von der Sozialholding sagt: „Ich kann mir vorstellen, dass das den Leuten richtig Spaß machen wird!” Aber der Hintergrund ist ein ernster: „Wer in den letzten drei bis sechs Monaten einen Sturz erlitten hat, bei dem steigt das Sturzrisiko anschließend um das Vierfache”, so Joachim Langer, stellvertretender Regionaldirektor der AOK Mülheim. Wenn es auch zum Glück häufig glimpflich ausgehe, könne ein solcher Sturz in manchen Fällen zu Hüftgelenksfrakturen und Oberschenkelhalsbrüchen führen.

Teure Behandlung

Neben den schwerwiegenden psychischen und körperlichen Folgen eines so einschneidenden Unfalls können die Kosten für die Behandlung sich schnell auf insgesamt 30 000 Euro belaufen. Langer befindet: „Wir wollen lieber vorbeugen als heilen. Die Kosten stehen dabei aber nicht im Vordergrund.”

Das neue Projekt zielt speziell auf die Bewohner von Pflegeheimen, denn diese sind besonders gefährdet. Etwa die Hälfte aller Heimbewohner erleidet der Statistik zufolge einen Sturz im Jahr. „Die Bewohner kommen meist schon in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand. Ein Sturz ist oft sogar das auslösende Moment dafür”, so Stefan Mühlenbeck. Denn meist würde ja so lange wie möglich versucht, Pflegebedürftige zu Hause zu versorgen.

In das neue Projekt stecken alle Beteiligten große Hoffnung: Die Fachliteratur spreche von einer Verminderung des Sturzrisikos um 44 %, sagt Joachim Langer. Andere Bezirke der AOK, die schon früher damit begonnen haben, erzielten immerhin eine Verbesserung von 25 %. Langer findet: „Das ist ja auch schon ein großer Erfolg.”

Die AOK möchte ihr Projekt ausweiten und lädt andere Pflegeheime zur Kooperation ein. Ansprechpartner ist Thomas Gewandt: 45 03 220.