Alkohol am Steuer - geht überhaupt nicht. Um jungen Fahrern dies bewusst zu machen, luden, Polizei, Dekra und Siemens mehrere Azubis zu einem ungewöhnlichen Selbstversuch ein.

Routiniert öffnet Karl die Bierflaschen mit einer anderen. Pfump. Es ist seine und Hendriks dritte. Marko und Gerrit haben genug vom Gerstensaft. Kein Problem, Polizeihauptkommissar Michael Ronsieck reicht ihnen den Rum; die 21-Jährigen kichern. Vor 30 Minuten sah das noch anders aus. Da saßen die vier Auszubildenden in ihrem Klassenraum bei Siemens und schienen sich eher unwohl zu fühlen. Vier Bier später ist die Hemmschwelle gesunken. Wie es um ihre Reaktionsschnelle steht, werden sie gleich testen. Sie machten mit bei einem von der Polizei, der Dekra, den Städten Mülheim und Essen sowie der Verkehrswacht Essen veranstalteten Selbstversuch „Alkohol im Straßenverkehr”.

Polizeihauptkommissar Michael Seth weiß, dass es seltsam anmuten mag, wenn die Polizei Jugendliche zum Trinken einlädt – besonders auf Siemensgelände, wo sonst eine „Null-Toleranz-Politik” in Sachen Alkohol gilt. „Aber man muss den Kontext sehen”, findet Seth. Diplom-Psychologe Ulrich Höckendorf von der Dekra hat die Klasse ins Thema eingeführt, hat Filme gezeigt, wie sich die Wahrnehmung unter Alkohol verändert, hat Rechtliches erläutert. Alles, um zu sagen: „Alkohol und Autofahren – das passt nicht, Jungs.” Aber weil Erlebtes besser haften bleibt als Erzähltes, sollen vier Azubis es selbst „erfahren”.

Zwei Bier und eine Rum-Cola

„Drei Bier in 30 Minuten”, staunt Karl gerade. „Meine Güte!” Umgerechnet sind das 0,3 Promille. Die vier Versuchsfahrer sollen sich aber an 0,5 heran trinken. Während Karl das vierte Bier öffnet, hat Marco genug: Zwei Flaschen und einmal Rum-Cola ergeben bei ihm 0,46 Promille. Gerrit hat das Gleiche intus, bringt es aber bei acht Kilo mehr „nur” auf 0,28 Promille.

Während Gerrit weiter trinkt, setzt sich Marco auf dem abgesperrten Werksgelände hinters Steuer. Den Parcours ist er eben nüchtern gefahren und perfekt um die Pylone gekurvt. Diesmal verschiebt er gleich das erste Hütchen um gut einen Meter. Fehlkalkulation mit 0,5 Promille. Die Ordnungshüter nicken; alles wie erwartet.

Nicht "hackebreit" aber "angeheitert"

„Mit 1,1 Promille ist man absolut fahruntüchtig”, sagt Psychologe Höckendorf und nutzt den rechtlichen Ausdruck. Umgangssprachlich würde man sagen: „Hackebreit.” Und hackebreite Fahrer hinterm Steuer seien keine Seltenheit, betont Michael Ronsieck. Hackebreit ist Marco nicht, eher „angeheitert” – und überfordert mit Bremse und Lenkrad. Plötzlich fliegt ein Ball vors Auto. Marcos Reaktion: einfach weitermachen. „Ich war so konzentriert auf die Hütchen, ich habe den Ball ganz spät gesehen”, sagt er später. „Wäre das ein Mensch gewesen, ich hätte den umgefahren.” Sein klares Fazit: „Nach zwei Bier und einem Schnaps sollte man nicht mehr fahren.” Zum Glück blieben Klassenkameraden nüchtern. Sie haben heute Fahrdienst.