100 Stolpersteine in Mülheim erinnern an Nazi-Opfer. Realschüler von der Mellinghofer Straße präsentieren nun eine Wanderausstellung dazu. Am Samstag wurde sie eröffnet.
„Menschen, die man vergisst, sterben ein zweites Mal.” Besser hätte eine Ausstellung wohl nicht betitelt werden können, in der Geschichte, Trauer und Gegenwart miteinander vereint sind. Schüler wie Lehrer der Realschule Mellinghofer Straße haben am Samstag ihre Wanderausstellung zum Thema Stolpersteine eröffnet. „Es gibt zu viele Menschen, die den Sinn der Stolpersteine nicht kennen”, sagt Nadine Oesterwind (15, Klasse 10b), „mit dieser Ausstellung wollen wir darüber informieren.”
Die Schüler entwarfen Plakate über den Grundgedanken der Gedächtnissteine und seine Ausführung in Mülheim. Sie beschäftigten sich mit dem Leben des Künstlers Gunter Demnig, der seit 1990 europaweit 20 000 Stolpersteine gesetzt hat. Und präsentieren ihre Vorangehensweise in der AG. „Das geht weit darüber hinaus, was ich mir einst vorgestellt habe.” Mit einer Eröffnungsrede richtete Schulleiterin Judith Koch ein großes Lob an die sechs Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10. „Mit solch Ernsthaftigkeit, Selbstverständlichkeit und Engagement haben die Schüler an der Ausstellung gearbeitet.” Eine Ausstellung, die erst in dem letzten halben Jahr erarbeitet wurde, doch ihren Ursprung bereits vor sechs Jahren fand.
Judith Koch war 2002 an der Realschule Stadtmitte tätig. Für die Schulsanierung mussten die Dachböden ausgemistet werden. „Bei der Arbeit stießen wir auf jahrzehntealte Klassenbücher”, so Koch. Mit großem Interesse durchforstete man die Bücher und stieß auf sieben jüdische Schüler, die um 1938 unter kuriosen Umständen abgegangen oder verschwunden waren. „Wir beschäftigten uns mit ihren Schicksalen und setzten die ersten sieben Stolpersteine.”
Als Judith Koch 2007 Schulleiterin der Realschule Mellinghofer Straße wurde, brachte sie die Idee einer Patenschaft für Stolpersteine mit. „Meine Aufgabe als Patin ist es, zu schauen, dass der Stein sauber und unbeschädigt bleibt”, so Nadine. Auf Grund dieser Patenschaft erhielt die Schule 2009 den Preis für Zivilcourage von der Mülheimer Initiative für Toleranz (MIT).
In einem kleinen Film, der gezeigt wurde, heißt es: „Jedes Schicksal geht mehr unter die Haut als jeder Geschichtsunterricht.” Stadtarchivar Jens Roepstorff sieht genau darin eine große Chance: „Durch persönliche Schicksale, die vielleicht da vorne an der Ecke geschahen, können Schüler besser verstehen.” Als große Aufgabe in der AG wurde das Recherchieren zu Juliane Tobias gesehen. „Es existierte kein Lebenslauf über sie, woraufhin wir ihr Leben untersucht haben”, so Nadine.
„Der Stein wird direkt vor ihrem zuletzt gemeldeten Wohnsitz niedergelegt, damit sie ihrer Heimat nahe sind.” Bei diesem Satz weitet sich eine bedrückte Atmosphäre in der Aula aus. Auch als es heißt „Du, du und du – ihr wäret unter damaligen Umständen gar nicht mehr hier”, folgend erstaunliche Aussagen der Schüler: „Man stellt sich das alles nicht gerne vor – aber dass wir es einfach vergessen, wäre nicht richtig.”
In Zukunft wird die AG sich auf Grund großen Interesses seitens anderer Jahrgangsstufen vergrößern und plant eine Fahrt ins Anne-Frank-Museum sowie weitere Recherchen im Stadtarchiv. Die Ausstellung wird die nächsten drei Wochen in der Realschule zu besichtigen sein, danach kann sie frei gebucht werden.