Wie fast überall fehlt auch hier die Jugend, dennoch sehen sich die Bürgervereine im Aufwind, glauben, dass sie in Zukunft wichtiger denn je werden.

Bürger suchen nicht den Weg zu den politischen Parteien und zur Stadtverwaltung, die kommen zu uns”, sagt Prof. Erhard Mohr, stellvertretender Vorsitzender des Bürgervereins Broich. „Wir sind das Sprachrohr der Bürger geworden.” Von der ersten Anlaufstelle, spricht Rolf Gentges, Vorsitzender des Selbecker Bürgervereins.

Man versteht sich dabei nicht als Konkurrenz oder Gegner zu den Parteien, zumal viele Mitglieder der Bürgervereine auch aus der Politik kommen. Eher halten sich die Vereine für ein sehr niedrigschwelliges Bürgerangebot, gleich um die Ecke, immer da, politisch neutral. Das Vertrauen in die Bürgervereine ist daher groß. „Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, die Anliegen, sofern es keine Einzelinteressen sind, an die richtige Stelle in der Politik und in die Verwaltung zu bringen”, sagt Jürgen Klingenberg, Vorsitzender in Saarn. Und: „Wir wollen auch Dinge anstoßen, aufzeigen, woran es in den Stadtteilen mangelt, was sich die Menschen vor Ort wünschen.”

Kaputte Straßen, fehlende Freizeit- oder Sportmöglichkeiten, schlechte Verkehrsanbindungen, Lärmbelastungen, Verkehrsgefährdungen, Defizite in der Nahversorgung – die Liste der Themen, mit denen sich Bürgervereine befassen ist lang und wird länger. Links der Ruhr hatten sie im Sommer erkannt: Gemeinsam könnten wir mehr erreichen, stärker gegenüber Rat und Verwaltung auftreten und den Forderungen mehr Nachdruck verleihen. So gingen die Bürgervereine in Broich, Saarn, Selbeck und Speldorf zusammen und bildeten die „Kooperation der Linksruhr-Bürgervereine. Die ersten gemeinsamen Aktionen werden dieses Jahr stattfinden.

Zufrieden nehmen die Vereine zur Kenntnis, dass sie in einigen Stadtteilen wachsen. In Selbeck etwa verzeichne der Verein sogar einen Generationswechsel, stellt Gentges erfreut fest. Es zeigten jüngere Familien Interesse, die neu hinzugezogen sind. Broich, Speldorf und Selbeck kommen auf jeweils 250 Mitglieder, in Saarn sind es gar an die 400. Die Parteien haben die Stärke erkannt: „Wir stoßen bei ihnen auf ein außerordentlich großes Interesse”, sagt Mohr.

Angesichts des demografischen Wandels, mit wachsendem Anteil älterer Menschen, sehen sich die Bürgervereine auch darin mehr gefordert, das soziale Leben in der Stadt zu bereichern, Kontakte zu fördern, Fahrten und Feste zu organisieren. Und die Vereine wollen auch, wie Klingenberg betont, ihre Stimme erheben, sollten die Sparmaßnahmen der Stadt sich zu negativ auf die Stadtteile und ihre Bürger auswirken. „Man kann da nicht mit der Sense rangehen”, sagt Gentges.

Für Ute Möhlig, Vorsitzende des Speldorfer Bürger- und Kurvereins, kommt es auch darauf an, die positiven Seiten der Stadtteile herauszukehren. „Es ist falsch, zu sehr auf die negativen Aspekte zu blicken.” Ihr Ziel: Die Menschen sollten sich mit ihrem Stadtteil identifizieren, ein Wir-Gefühl entwickeln. Davon profitiere die gesamte Stadt.