Mülheim. Politik und Verwaltungen der Städte Essen und Mülheim brüten aktuell die Zukunft ihres Flughafens aus. Derweil kommt eine neue Idee ins Spiel.
Während Politik und Verwaltung der Betreiberstädte des Flughafens Essen-Mülheim hinter verschlossenen Türen weiter über der Frage brüten, ob der Flughafen über 2034 hinaus eine Zukunft haben oder er für eine größere gewerbliche Entwicklung auf den Raadter Höhen abgewickelt werden soll, präsentieren die Flughafen-Gegner ein drittes Szenario. In diesem wäre auch kein Raum mehr für den Flugbetrieb.
Das Netzwerk Mülheimer Bürger gegen Fluglärm und die Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm wollen einen riesigen Solarpark auf dem Flughafen-Areal errichtet sehen. Für einen solchen könnten nach Vorstellung der Initiative 120 der insgesamt 142 Hektar großen Fläche genutzt werden. Lediglich im Norden, entlang der Brunshof- und Lilienthalstraße, sind Flächen nicht dafür auserwählt, mit PV-Anlagen bestückt zu werden.
Mülheim favorisiert Entwicklung von Gewerbeflächen - mit oder ohne Flughafenbetrieb
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Der Vorstoß der Flughafen-Gegner wendet sich gegen die laufenden Beratungen zu zwei Alternativszenarien, mit denen Mülheims Politik in Abstimmung mit den Partnern in Essen die seit Jahrzehnten umstrittene Flughafen-Zukunft klären will. Szenario 1 sieht dabei den Weiterbetrieb und die Modernisierung des Flughafens vor, gleichzeitig an der Brunshofstraße die Entwicklung einer 12,2 Hektar großen Gewerbefläche. Szenario 2 würde die politischen Beschlüsse aus Mülheim und Essen zum Flughafen-Aus im Jahr 2034 zementieren. Anstelle des Flugbetriebs soll dann ein 27,7 Hektar großes Wirtschaftsareal geschaffen werden.
„Aus Sicht des Naturschutzes und der Biodiversität verschlechtern diese Planungen die derzeitige Situation auf dem Gelände erheblich“, sagt Rainer Derhardt vom Netzwerk Mülheimer Bürger gegen Fluglärm mit Blick auf Flug- und sonstigen Verkehrslärm oder Kaltluftschneisen. Ein Solarpark an Ort und Stelle vereine hingegen die Interessen von Ökonomie und Ökologie, meint das Netzwerk, das den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh aus Essen, als Fürsprecher seiner Idee präsentieren kann.
Mülheimer Netzwerk: Solarpark könnte 150 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren
Derhardt und Mitstreitern schwebt ein Solarpark mit einer Leistung von rund 150 Megawattpeak vor. Hiermit ließen sich jährlich 150 Gigawattstunden regenerativer Strom erzeugen - etwa könnten hiermit 62.500 Haushalte mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 2400 Kilowattstunden versorgt werden. Auch ließen sich so pro Jahr 100.000 Tonnen klimaschädliches CO2 vermeiden. „In circa neun Jahren wären die Investitionskosten für den biodiversen Solarpark erwirtschaftet“, so die Rechnung der Fluglärm-Gegner bei 70 Millionen Euro, die man zum Bau des Parks kalkuliert. Aus ihrer Sicht könnten Bürger über eine Beteiligungsgenossenschaft am Ertrag beteiligt werden. Auch die Städte könnten hier über ihre Stadtwerke ein lukratives Geschäftsfeld erschließen.
Mit der Wattner AG aus Köln präsentiert die Initiative gleich auch eine mögliche Investorin, die seit Jahren insbesondere im Osten der Republik Solarparks plant, errichtet und betreut. „Wir würden es aus wirtschaftlicher Sicht sofort bauen“, sagte deren Vertreterin Anke Nolte bei der Präsentation der Idee. Nach zwei bis drei Jahren Planungs- und einem Jahr Bauzeit könne so ein Solarpark den Betrieb aufnehmen. Er sei für Städte insbesondere auch gewinnbringend, um eine Versorgung der Industrie mit günstiger Energie sicherzustellen.
Mülheim will sich bis 2035 klimaneutral aufgestellt haben
Wenn nicht auf den Raadter Höhen, wo sonst wolle die Stadt ihren Zielen aus dem Klimaschutzkonzept gerecht werden, fragt Derhardt mit Blick darauf, dass Mülheim sich bis 2035 klimaneutral aufgestellt haben will. Gut 400 Megawattpeak erneuerbare Energie müsse Mülheim bis dahin erzeugen, bringe es aktuell aber gerade mal auf 2,3 Megawattpeak aus Windstromanlagen und circa 30 Megawattpeak von Photovoltaik auf Dächern. Der skizzierte Solarpark auf dem Flughafen-Areal könne hier einen wesentlichen Beitrag leisten, zum Ziel zu gelangen. Die Ziele der Stadt für Dachflächen-PV seien ohnehin zu optimistisch bemessen.
„Unsere Forderung an die Politik ist es, diese Idee ernsthaft aufzugreifen und die Chance für Mülheim zu sehen“, sagt Derhardt. Gleichsam sei auch die Landesregierung aufgefordert, die Entwicklung größerer Solarparks endlich mehr zu fördern. Unterstützung erhält die Mülheimer Initiative dabei vom Essener Landtagsabgeordneten Mehrdad Mostofizadeh. Er glaubt, dass sich ein solches Projekt in Mülheim auch ohne Förderung rentieren könnte. Klar spricht sich Mostofizadeh gegen einen weiteren Flugbetrieb aus. Er sei „ein Zuschussgeschäft“ und „nicht zukunftsfähig“. Das Solarpark-Projekt könne dazu führen, dass gerade das hoch verschuldete Mülheim „endlich Geld mit der Fläche verdient“.
Mülheims CDU-Fraktionschefin sieht keine Vereinbarkeit mit den Gewerbe-Plänen
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Aber gibt es eine realistische Chance, dass die Idee politischen Rückhalt bekommt? Schon in Mülheim steht das nicht in Aussicht. CDU-Fraktionschefin Christina Küsters erteilt der Initiative auf Anfrage dieser Redaktion eine klare Absage. „Grundsätzlich ist Photovoltaik als flankierende Maßnahme sicher eine gute Idee“, verweist sie auf entsprechende politische Überlegungen hierzu für eine allerdings deutlich kleinere Fläche. In der Größenordnung, wie von der Initiative vorgestellt, sei ein Solarpark in Raadt abzulehnen. Zumindest ein Ziel sei für die Union maßgebend bei der Zukunftsentscheidung: „Wir sehen dort ein innovatives neues Gewerbegebiet.“ Das sei mit den Solarpark-Plänen nicht vereinbar. Gleichwohl wolle man die Idee in der weiteren Diskussion nicht unberücksichtigt lassen. Küsters will am Ziel festhalten, noch in diesem Jahr eine Entscheidung zum Flughafen zu fällen.
Am Mittwoch treffen sich zum Thema CDU und Grüne zur gemeinsamen Fraktionssitzung. Der Co-Vorsitzende der Mülheimer Ratsfraktion der Grünen, Timo Spors, ist aus anderem Grund als Küsters skeptisch, ob ein Solarpark die richtige Lösung wäre. Er hat Zweifel daran, dass großflächige PV-Anlagen mit Natur- und Artenschutzzielen vor Ort vereinbar wären, erinnert etwa an die bedrohten Vogelarten der Feldlerche und des Steinschmätzers, deren Habitate zu schützen seien. Bekanntlich haben Feldlerche und Steinschmätz 2018 schon ein Mega-Konzert von Ed Sheeran auf den Raadter Höhen verhindert. Hinter der Biodiversität, die die Solarpark-Befürworter versprechen, sei ein Fragezeichen zu setzen. Das Konzept gelte es noch zu prüfen und zu bewerten.
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