Nach 48 Jahren verlässt Jörg Enaux die Sparkasse, wo er als Lehrling begann und als Chef endete.
Einer seiner Mitarbeiter hat ausgerechnet: Jörg Enaux war 1 509 408 000 Sekunden für die Sparkasse in Mülheim tätig. 48 Jahre sind das. Eine Rechnung womöglich mit Fehlern: Denn Enaux hatte lange Zeit den Ehrgeiz gehabt, der Erste am Morgen zu sein, und bis zuletzt verließ er als Letzter abends das Haus. Ein Karrieremensch? Nein, sagt er, „ich habe nichts geplant und mich in all den Jahren auch nur einmal beworben”. Zweigstellenleiter wollte er damals werden.
Sein Weg ist eine Rarität geworden: vom Lehrling bis zum Chef. Kein schlechter Weg für Führungskräfte, sagt der scheidende Vorstandschef. Wechselgedanken hatte er nie. Der Mülheimer blieb in Mülheim, weil er seine Heimatstadt liebt, er blieb bei seiner Sparkasse, weil er ein hohes Maß an Zufriedenheit dort erlebte.
Der Banker ist für ihn ein Dienstleister, der sich vor allem eines erarbeiten und bewahren müsse: Vertrauenswürdigkeit. Die wertvollste Aktie jedes Hauses. Es bedrücke ihn sehr, gesteht er, wenn er erlebe, wie sehr das Image des Bankers in jüngster Zeit gelitten habe. So sehr, dass sogar junge Menschen nur noch wenig Interesse an dem Beruf zeigten. „Plötzlich galten wir alle als Betrüger.” Da sei es ein Lichtblick gewesen zu erleben, wie mitten in der Krise die Sparkasse Zulauf hatte wie nie, weil man eben dort das Seriöse entdeckte.
Zweigstelle, Anlageberater, Kreditabteilung, Organisationsleiter, Planer des Neubaus der Sparkasse am Berliner Platz, irgendwann stand er im Vorstand, fast zehn Jahre war er dessen Vorsitzender. Sein Verhältnis zum Geld? „Ich bin eher ein sparsamer Mensch”, sagt er, einer, dem Sicherheit mit weniger Zinsgewinn tausendmal lieber ist als ein Risiko. Für die so genannten Konditionshopper hat er wenig Verständnis, eher für die Tugenden: Erst sparen, dann ausgeben, Vorsorge treffen. Das sei keineswegs altmodisch, betont Enaux, gerade heute und gerade für jüngere Menschen eher ein Gebot der Zeit. Die Mentalität, alles sofort haben zu wollen und zu glauben, sich alles auch leisten zu können zu Null-Prozent, hält er für ungut. Überhaupt: „Null-Prozent gibt es nicht.”
Das weltweit einmalige Drei-Säulen-Modell von Privatbanken, Großbanken und Sparkassen ist für Enaux ein Ideal und er macht sich Sorgen, dass es eines Tages zerschlagen werden könnte. Gäbe es die Genosenschaftsbanken und Sparkassen nicht, die Auswirkungen der Finanzkrise wären noch viel gravierender, ist er überzeugt.
Die Verankerung der Sparkasse in der Stadt auch als Treffpunkt jenseits des Geldes war ihm stets wichtig. Bis zu 100 Veranstaltungen finden jedes Jahr in der großen Kassenhalle am Berliner Platz statt. Für ihn ist das Haus auch eine lokale Begegnungsstätte mit Sportlern, Künstlern, Wissenschaftlern, Jugendlichen.
Mit etwas Sorge blickt er aus seinem großen Fenster Richtung Schloßstraße: Ruhrbania, die Fachhochschule, das Kaufhaus Ruhrbanium – unerlässlich sei das alles, damit die Innenstadt wieder auf die Gewinnerseite kommt. Im Förderverein der Fachhochschule bleibt er aktiv, erst recht im Förderverein Kloster Saarn. Bis zu seinem 16. Lebensjahr hatte er mit seinen Eltern in der Klosteranlage gewohnt. Historisch ist er interessiert, sportlich seit über 50 Jahren engagiert. Einst war er Handballspieler – aber nicht so erfolgreich wie als Banker. Ein Datum nach seinem Ausscheiden hat er bereits unterstrichen: „Seit zehn Jahren fragen Freunde, ob ich dienstags mit ihnen Golf spiele.” Immer habe er gesagt: Jungs, ich muss doch arbeiten! Am Dienstag, 2. Februar, nicht mehr.