Mülheim/Essen. Über eine Dating-App lernte eine Essenerin einen Mülheimer kennen. Sie kamen sich näher, sie lieh ihm viel Geld. Das war „ein schwerer Fehler“.
Tanja S. (Name von der Redaktion geändert) war schon eine ganze Weile Single. Ihre Freundinnen rieten ihr deshalb, sich bei der Dating-App Lovoo anzumelden. „Ich habe mich mit verschiedenen Männern getroffen, bei dem einen bin ich hängengeblieben. Obwohl er optisch gar nicht so mein Typ war, sprang der Funke über. Er war einfach total nett“, erzählt die 43-Jährige. Man kam sich näher, baute Vertrauen auf. „Ich war schon irgendwie verliebt und er angeblich auch“, so die („eigentlich eher vorsichtige“) Frau aus Essen-Schönebeck. Besonders praktisch war, dass der Mann (35) gleich um die Ecke wohnte, kurz hinter der Stadtgrenze in Mülheim. Dort trafen sich die beiden mehrmals. Aber dass der Name, der an der Klingel stand, nicht sein richtiger war, fand Tanja S. erst später heraus. Es war ein Schock für sie.
Von den „schlüssig vorgetragenen Geschichten“ des Dating-Partners entpuppten sich, so Tanja S., noch weitere als Schwindeleien. „Vor etwa drei Wochen berichtete er, seine EC-Karte sei kaputt, weil er sie aus Versehen mitgewaschen hätte. Als er daraufhin mit dem Personalausweis bei der Bank Geld abheben wollte, habe er festgestellt, dass dieser abgelaufen sei. Ich habe ihm erstmal 50 Euro geliehen, so fürs Wochenende“, erzählt Tanja S.. Kurz darauf habe er sie darum gebeten, 590 Euro an ihn zu überweisen, per Direktüberweisung, er müsse noch am selben Tag eine Rechnung begleichen. „Ich habe ihm gesagt, dass mir nicht wohl dabei sei, es dann aber doch getan. Denn er versicherte mir, dass ich das Geld spätestens am Montag oder Dienstag zurückbekommen würde.“ Ein Foto von einem entsprechenden Überweisungsauftrag ließ er ihr sogar per WhatsApp zukommen.
Betrugsopfer gesteht: „Es war mir peinlich, ich habe viel geweint“
Der Betrag kam bei Tanja S. allerdings nie an, wie auch weitere Geldsummen, die sie ihm gab, um auszuhelfen. Belege kann sie der Redaktion vorlegen. Insgesamt lieh sie dem Mann 2.028 Euro. „Ich habe einfach fest geglaubt, dass er mir alles irgendwann zurückgibt. Er hatte es einfach geschafft, mein Herz zu erobern“, sagt sie. Als nichts geschah, vertraute sie sich einer Freundin an. „Es war mir peinlich, ich habe viel geweint“, erinnert sie sich. Über sein Autokennzeichen fanden die beiden Frauen heraus, wie der Datingpartner wirklich hieß und dass er ganz woanders gemeldet war. „Mir wurde total übel, als ich sah, dass er absolut nicht der war, für den er sich ausgegeben hatte“, sagt Tanja S.
Die Dating-App-Nutzerin erstattete Anzeige bei der Polizei, erfuhr, dass der Mann dort nicht unbekannt war. „Die Polizistin erklärte mir auch, dass so etwa häufiger vorkommt und dass viele Frauen oft viel länger warten als ich, bis sie sich melden. Es gibt wohl auch eine hohe Dunkelziffer“, berichtet sie. Sie schrieb ihr Date erneut an: „Du ruinierst mich! Ich brauche mein Geld zurück!“ Man traf sich sogar. Er entschuldigte sich, spielte die große Liebe vor, appellierte an ihr Mitleid: Er habe andere Schulden bezahlen müssen. Den gesamten Chatverlauf hat Tanja S. parat, legte ihn der Polizei und unserer Redaktion vor.
Mülheimer soll weiterhin auf der Dating -App angemeldet sein
Sie recherchierte auch selber weiter, forschte auf Facebook nach. Dort kam sie unter anderem in Kontakt mit einem Anglerverein, der erklärte, ebenfalls von „Mister X“ betrogen worden zu sein (aktuell bewege er sich aber in der Bodybuilder-Szene). Tanja S. schaltete schließlich eine Anwältin ein. „Sie hat ihn sehr freundlich aufgefordert, einen Darlehensvertrag mit mir zu unterschreiben, mit der Möglichkeit, das Geld in Raten zurückzuzahlen. Dieses Schreiben hat er angeblich aber nicht bekommen“, erzählt sie. Gehe der Mann nicht darauf ein, werde ein Mahnbescheid folgen und eine Pfändung angedroht.
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„Ich will diesen Menschen einfach stoppen. Er ist krank, stürzt andere und sich ins Unglück“, sagt Tanja S. Herausgefunden hat sie, dass er auf Lovoo immer noch angemeldet ist, vielleicht weitere Frauen kontaktiert. Sie hat die Plattform über ihre Erfahrungen informiert, aber nichts sei geschehen. Die Essenerin ist über sich selbst verwundert: „Ich habe früher von solchen Fälle gelesen und gedacht: Wie dumm muss man sein! Aber ich habe es dann selbst nicht gemerkt, es fühlte sich alles so echt und gut an.“ Erst als sie ihre Erlebnisse im Freundeskreis öffentlich machte, habe sie erfahren, dass es zwei Bekannten ähnlich ergangen sei. Für sie ist klar: „Viele lassen es aus Scham auf sich beruhen. Ich werde keine Ruhe geben, bis ich mein Geld wiederhabe. Mein Kämpferherz ist erwacht.“ Ein seelischer Schaden sei dennoch entstanden – und der sei „heftig“.
Polizei Essen/Mülheim: „Täter nutzen emotionale Notlagen der Opfer aus“
Die Polizei Essen/Mülheim bestätigt, dass die Anzeige von Tanja S. eingegangen ist. Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele, könne man hierzu aber keine Angaben machen. Dass Frauen auf Dating-Portalen auf Betrüger hereinfielen, sei keine Seltenheit „In den meisten Fällen geht es darum, Geld von den Betrugsopfern zu erhalten“, erläutert die Polizeipressestelle. Allerdings: „Da Betrugsfälle im Zusammenhang mit Dating-Apps nicht gesondert erfasst werden, können wir hierzu leider keine validen Zahlen nennen.“ Auch eine Aufklärungsquote könne man daher nicht angeben.
Wie geht die Polizei vor, welche Betrugsmaschen kennt sie? „Im Bereich ‚Love Scamming‘ liegen oft mehrere Ermittlungsansätze vor. In Fällen, in denen das Geld nicht bar übergeben wurde, liegt der Schwerpunkt der Ermittlungen bei der Verfolgung des geflossenen Geldes“, heißt es. „Die Betrugsmaschen sind sehr vielfältig und in der Regel auf die Bedürfnisse der Opfer abgestimmt. Allgemein kann man sagen, dass die Täter emotionale Notlagen der Opfer ausnutzen“, weiß Polizeipressesprecherin Sonja Kochem.
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Einsamen Menschen werde beispielsweise eine gemeinsame Zukunft in Aussicht gestellt. Dies könne sowohl in rein virtueller Form (Kontakt im Internet über Messenger oder Dating-Apps) als auch im realen Leben (persönliche Treffen) passieren. „Beides kann dazu führen, dass sich nicht nur das Herz, sondern auch die Geldbörse des Opfers öffnet. Hohe Schadenssummen sind keine Seltenheit“, so die Polizei.
Grundsätzlich könne man sagen, dass sämtliche Betrugsmaschen auf die Gefühle der Opfer abzielen („Social Engineering“). „Wichtig ist, eine skeptische und vorsichtige Haltung aufrecht zu erhalten. Immer dann, wenn Zahlungen gefordert werden, sollte man Rücksprache mit einer Vertrauensperson halten, die nicht involviert ist und den Fall neutral bewerten kann“, empfiehlt die Polizei. Ob Tanja S. überhaupt nochmal eine Datig-App nutzen würde? „Vielleicht, aber ich wäre jetzt unheimlich vorsichtig“, sagt die 43-Jährige.
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