Mülheim. Zwei Zwangsversteigerungen sind in Mülheim angesetzt, darunter ein leerstehendes Haus, das viele von außen kennen. Aber eben nicht von innen.
„Café Amed“ an der Charlottenstraße, Ecke Falkstraße in Mülheim ist dauerhaft geschlossen, doch es trägt noch seine Schilder - gelbe Schrift, schwarz-rot-goldene Flagge. Früher galt hier: „Zutritt erst ab 18 Jahren“, so der Jugendschutzhinweis an der Eingangstür im Eck. Nichts für die Kinder vom Spielplatz gegenüber. Das komplette Haus, hellgrau gestrichen, etwas Stuck, wirkt verlassen, vergessen.
An der Haustür zur Charlottenstraße ist das Glas gesprungen. Ein Briefkasten, sieben Klingelschilder. Im Erdgeschoss sind einige Rollos heruntergelassen, im ersten Stock stehen vereinzelt Fenster auf, Vorhänge sind halb heruntergerissen. An einigen Stellen ist die Fassade besprüht, im leeren Gehäuse eines Kaugummiautomaten sammeln sich Pistazienschalen. Wie lange wohnt hier niemand mehr? „Mindestens zwei, drei Jahre“, schätzt ein Mann aus der Nachbarschaft, der vorbeigeschlendert kommt.
Leerstehendes Haus mit Café in Mülheim soll zwangsversteigert werden
Das Mehrfamilienhaus Charlottenstraße 73 soll bald zwangsversteigert werden. Der Termin am Mülheimer Amtsgericht steht. Grund ist eine Zwangsvollstreckung, Gläubigerbank ist die Deutsche Bank in Hamburg. Wem das Haus gehört, erfährt man dort nicht - unter Verweis auf den Datenschutz. Am 17. April zeigt sich, ob die angeschlagene Immobilie, um 1900 erbaut, Interessenten findet. Ein umfassendes Wertgutachten liegt vor: insgesamt 350 qm Wohn- und Gewerbefläche plus 238 qm Grundstück, Verkehrswert 210.000 Euro. Dem Haus wird „einfacher und vernachlässigter Zustand“ bescheinigt und erheblicher Renovierungsbedarf.
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Der gerichtlich bestellte Sachverständige war am 20. September letzten Jahres vor Ort. Allerdings konnte er das Haus nicht von innen besichtigen, nur den äußeren Eindruck und die Aktenlage prüfen, auch das steht im Gutachten. Deutlich sichtbar: der feuchte, vermooste Sockel in der Nähe eines Fallrohres an der Falkstraße. Zwangsversteigert wird demnach ein Haus mit unbekanntem Innenleben. Eine Wundertüte. Der Nachbar glaubt zu wissen, wie es dort aussieht: „Alles kaputt.“ Und er meint, angesichts der geplanten Veräußerung: „Da können Sie Ihr Geld lieber wegschmeißen.“
Aktuell nur zwei Immobilien auf der Liste des Mülheimer Amtsgerichtes
Die Liste der bevorstehenden Zwangsversteigerungen in Mülheim war in früheren Jahre wesentlich länger und attraktiver. Aktuell steht - neben dem alten Haus an der Charlottenstraße - nur noch ein kleines Reihenhaus in Fulerum auf der Liste, Ende der fünfziger Jahre gebaut, knapp 90 qm Wohnfläche, insgesamt 267 qm Grundstück. Diese Immobilie an der Straße Am Wasserturm wird versteigert, um die Gemeinschaft aufzuheben. Ein Miteigentümer oder eine Miteigentümerin wohnt laut Gutachten noch dort. Der Verkehrswert des Einfamilienhauses wird auf 300.000 Euro beziffert.
Im vergangenen Jahr hat es am Mülheimer Amtsgericht insgesamt 21 Zwangsversteigerungstermine gegeben, in 20 Verfahren wurde der Zuschlag erteilt. Diese Zahlen nennt Susanne Galonska-Bracun, Direktorin und Sprecherin des Gerichtes, auf Anfrage. Ein Verfahren sei nach zwei Terminen aufgehoben worden, weil sich keine Bieter fanden. Im Jahr 2022 waren es 19 Termine, doch nur in zwölf Verfahren wurden auch tatsächlich Zuschläge erteilt. Die Zahl der Verfahren ist also leicht angestiegen, und eine Fortsetzung dieser Tendenz erwartet das Mülheimer Amtsgericht - angesichts der bisher eingegangenen Anträge - auch für 2024.
Weniger Zwangsvollstreckungen der Banken, mehr Aufhebungen von Gemeinschaften
Die Erlöse sind aber tendenziell schmaler geworden: Bis vor etwa zwei Jahren lagen sie meist deutlich über dem Verkehrswert. Im Vorjahr wurden nach Angaben des Amtsgerichts in der Regel mindestens 70 Prozent des Verkehrswertes erzielt, gelegentlich wurde der Verkehrswert auch erreicht oder sogar überstiegen.
„Zwangsversteigerungsanträge der Banken aufgrund rückständiger Darlehen sind im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren rückläufig, da die Banken und Schuldner außergerichtliche Lösungen finden (z. B. Verkauf, Umschuldung)“, erläutert Susanne Galonska-Bracun. Demgegenüber hätten die Anträge auf Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft, etwa durch Erben oder Ex-Partner, zugenommen. Doch auch bei diesen Anträgen kam es mehrheitlich nicht zum Versteigerungstermin: 70 Prozent der Verfahren erledigten sich, indem sich die Eigentümer einigten, sobald sie das Gutachten und den Verkehrswert kannten.
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