Mülheim. Angelo Barletta machte erst eine Ausbildung im Lager, bevor er merkte: Ich möchte etwas ganz anderes. Wie sein Mülheimer Arbeitgeber reagierte.
Umwege erhöhen die Ortskenntnis, sagt der Volksmund, und meint damit, dass man mehr über sich und das Leben erfährt, wenn man Haken schlägt. Nur im Berufsleben scheint die vorherrschende Meinung noch immer eine andere zu sein. Dort gelten schnurgerade Lebensläufe als Ideal. Dass es sinnvoll sein kann, in Zeiten des Fachkräftemangels auch mal Haken zu schlagen, zeigt ein Beispiel von Ibero Stahl in Mülheim. Bei dem international tätigen Stahlhandel arbeiten am Hauptsitz in Mülheim etwa 40 Mitarbeiter, darunter auch Auszubildende im Lager und der Verwaltung. Ibero Stahl bildet nur aus, wenn auch langfristig Stellen zu vergeben sind, die Übernahmechancen sind also hervorragend.
Dennoch sei es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, Auszubildende zu finden, berichtet Geschäftsführer Roland Giesen. „Recht neu ist das Phänomen, dass Bewerbungsgespräche vereinbart werden und dann erscheint niemand.“ Vielleicht, überlegt Giesen, liege das Zuverlässigkeitsproblem daran, dass Eltern heute mehr Selbstständigkeit erwarten und bei den Jugendlichen nicht mehr so hinterher seien. „Vielleicht ist es aber auch ein gesellschaftliches Thema. Wir leben in Zeiten, in denen man selbst Ferienwohnungen fast bis zum letzten Moment canceln kann. Da verändert sich etwas.“
Mülheimer Unternehmen setzt auf enge Bindung zu den Mitarbeitern
Bei Ibero Stahl setzt man deshalb auf eine enge Bindung zu den vorhandenen Mitarbeitern. Viele von ihnen arbeiten laut Geschäftsführer Giesen seit 30 und mehr Jahren bei Ibero Stahl. Dazu gehört auch, dass sich Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens verändern können. Mitarbeiter wie Angelo Barletta. Der 24-Jährige kam erst mit 16 Jahren aus Sizilien nach Deutschland. In der Pizzeria seiner Eltern an der Mellinghofer Straße sprach er Stammgast Roland Giesen an und wurde prompt zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Er bewarb sich erfolgreich für eine Ausbildung zum Facharbeiter für Lagertechnik. „In der Ausbildung hatte ich auch einen Monat im Büro. Das hat mir gefallen. Es gibt da viele Entwicklungsmöglichkeiten“, erinnert sich Angelo Barletta.
Er schloss seine Ausbildung ab und arbeitete ein Jahr im Lager, bevor er sich ein Herz fasste und erneut zur Geschäftsleitung ging. Sein Wunsch: Noch mal neu anfangen, aber im alten Unternehmen. „Man muss die Talente fördern, die in den Mitarbeitern stecken“, sagte sich Giesen. Das Ergebnis: Im August begann der 24-Jährige seine zweite Ausbildung bei dem Mülheimer Unternehmen, diesmal als Groß- und Außenhandelskaufmann.
Für den Azubi war der Umweg wichtig
Und wie steht Angelo Barletta nun zu dem Spruch mit den Umwegen? War die Zeit im Lager verlorene Zeit? „Absolut nicht. Damals hätten meine Deutschkenntnisse noch nicht fürs Büro gereicht.“ Heute kann sich Barletta sogar eine Zukunft im Vertrieb vorstellen.
Roland Giesen brennt für seine Branche, das merkt man ihm an. Kurz vor dem Gespräch mit der Presse hatte der Geschäftsführer noch einen neuen Kunden am Telefon – aus Südafrika. Ibero Stahl beliefert weltweit Unternehmen aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Chemie. Trotzdem weiß Roland Giesen: „Unsere Branche springt einem nicht so ins Auge. Wir stellen nicht jede Woche ein neues Produkt vor und tauchen nicht auf Instagram oder Tiktok auf.“ Umso wichtiger sind junge Mitarbeiter mit Strahlkraft wie Angelo Barletta.