Mülheim. In Mülheim suchen Gastronomen händeringend nach Fachkräften für ihre Lokale. Welche Folgen der Personalmangel für die Gäste haben kann.
„Das hält man einfach nicht mehr aus“, berichtet Slavica Ivanovic. Die Inhaberin des Restaurants Am Kamin in Mülheim-Styrum sucht seit circa einem Jahr nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Lokal. Bislang sei die Suche allerdings erfolglos gewesen: „Das bringt nichts, niemand meldet sich.“
Rund 200 Personen hätten sich die Stellenausschreibungen angesehen, die sie immer wieder neu auf Jobportalen hochlädt. Fünf davon hätten sie daraufhin angerufen. Ein Mann wollte persönlich bei ihr im Lokal erscheinen. „Der ist aber nicht gekommen“, sagt Ivanovic.
Mülheimer Köchin steht an sechs Tagen in der Woche allein in der Küche
Im Moment stehe Ivanovic an sechs Tagen in der Woche allein in der Küche und kümmere sich um die Einkäufe. Im Service werde sie von ihren Freundinnen unterstützt. Bisher ist nur der Mittwoch im Restaurant Am Kamin ein Ruhetag. Das könne sich aber ändern. „Ich überlege, ob ich an drei Tagen in der Woche das Restaurant schließe“, sagt die Inhaberin. Auch, um sich selbst zu entlasten.
Die Auswirkungen des Fachkräftemangels spüren auch Ivanovics Besucherinnen und Besucher. „Die Gäste sind eigentlich anderes gewöhnt.“ Viele haben zwar Verständnis, berichtet die Inhaberin des Familienbetriebs, „ich glaube aber, viele haben sich mittlerweile auch daran gewöhnt.“ In Mülheim seien derzeit laut der Bundesagentur für Arbeit 34 offene Stellen in der Hotellerie und Gastronomie registriert, heißt es von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Ruhrgebiet (NGG).
Fachkräftemangel in Mülheims Gastronomie: „Schlimmer als während Corona“
„Es ist noch schlimmer als während der Corona-Pandemie“, erzählt Ivanovic von ihrem Eindruck. Dieser lässt sich zum Teil durch Zahlen der Agentur für Arbeit bestätigen. Waren im Dezember 2020, während der Hochzeit der Pandemie, 615 Personen in der Küche als Koch, Köchin oder Aushilfe tätig, sind es im Dezember des vergangenen Jahres 613 gewesen. Von der Anzahl der Arbeitnehmer vor der Corona-Pandemie sind die jetzigen Zahlen jedoch noch weit entfernt. 655 Köchinnen, Köche und Aushilfen zählte die Agentur für Arbeit im Dezember 2019 noch in der Küche. 42 mehr als heute.
Generell habe es in der Gastronomie aber wieder einen Zuwachs gegeben. Die Zahlen haben sich zum Dezember 2022 wieder etwas erholt. Haben vor der Pandemie noch 860 Fachkräfte in der Mülheimer Gastronomie gearbeitet, waren es zum Stichtag im Dezember 2022 842 Menschen. Während der Corona-Hochzeit waren es nur 760 Personen.
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Gewerkschaft schlägt „Küchen-Alarm“ und hat klare Forderungen
Martin Mura, Geschäftsführer der NGG, schlägt „Küchen-Alarm“. Nicht selten würde es vorkommen, dass Restaurants ihre Öffnungszeiten ändern oder zusätzliche Ruhetage einlegen, wie Ivanovic es überlegt zu tun. Auch der Mittagstisch werde in manchen Lokalen ganz gestrichen. „Der Trend ist klar: Die Gastronomie kocht und bedient nur noch auf Sparflamme“, sagt Mura. Durch die Corona-Pandemie sei das Vertrauen in die Gastronomie-Szene jedoch verloren gegangen, erklärt der NGG Geschäftsführer Martin Mura auf Anfrage dieser Redaktion. Dabei „sind das tolle Branchen.“
In der Branche müsse sich einiges ändern, damit sie mehr Fachkräfte anzieht. „Höhere Löhne und bessere Arbeitszeiten sind der Schlüssel zu mehr Personal“, sagt der Geschäftsführer. Er fordert einen Gastro-Start-Lohn von 3000 Euro brutto pro Monat für alle an, die sich nach einer Ausbildung in der Hotellerie und Gastronomie für einen Vollzeit-Job entscheiden.
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Fachkräfte in der Gastronomie verdienen oft knapp über der Mindestlohngrenze
Von diesem Gehalt seien zurzeit allerdings viele Arbeitskräfte in der Branche weit entfernt. Oft würden Köche und Kellner in Mülheim nur knapp über der Mindestlohngrenze von zwölf Euro pro Stunde verdienen, weiß Mura: „Ein Großteil der Gastro-Betriebe zahlt noch immer keinen Tariflohn. Das ist ein Unding, wenn man gute Leute sucht.“ Er würde den Tarifvertrag gerne für allgemeingültig erklären, damit sich alle Branchenbetriebe, auch die, die nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind, an diesen halten müssen: „Der Wettbewerb soll nicht auf dem Rücken der Beschäftigten stattfinden.“
Ivanovic sieht das ein bisschen anders. Sie meint, 3000 Euro würden da nicht ausreichen. Die Abschlagszahlungen seien ihrer Meinung nach zu hoch und das Netto-Gehalt daher dennoch zu niedrig. Sie sei bereit, mehr zu zahlen, wenn sie dafür verlässliche Arbeitskräfte für ihr Lokal finden würde, die auch Verantwortung übernehmen. In der Gastronomie und in der Küche sei die Begeisterung für die Arbeit besonders wichtig, weiß die Inhaberin: „Die Küche, dafür muss man richtig Leidenschaft haben.“