Mülheim. In NRW sind fast 1000 Arztstellen in Kliniken unbesetzt. Der Ärztemangel ist längst nicht mehr nur Thema auf dem Land, sondern auch in der Metropolregion Ruhr. Neues Phänomen in der Personalbewirtschaftung auch Mülheimer Krankenhäuser: Wer knapp an Medizinern ist, leiht sich welche.

Laut Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW, haben schon im Jahr 2008 über 60 % der Kliniken über Probleme bei der Besetzung vakanter Stellen geklagt. Der fortwährende Personalmangel, prognostiziert Kratz, könne künftig gar die Schließung einzelner Abteilungen nötig machen. Nach Beobachtung der Krankenhausgesellschaft ist das Thema Leiharbeit in den letzten Monaten in den NRW-Kliniken angekommen.

Die Mülheimer Krankenhäuser haben bereits auf Leihkräfte zurückgegriffen, um Personalengpässen zu begegnen. „Das müssen wir”, sagt Nils Krog, Geschäftsführer am Ev. Krankenhaus. 2009 habe man verstärkt in der Anästhesie mit Honorarkräften arbeiten müssen, längstens über eine Phase von sechs Monaten. Für das Marien-Hospital sieht Prokurist Andreas Wallmann dieses Ausmaß noch nicht. Das Haus habe im vergangenen Jahr nur „ein paar Dienste mit Leihärzten besetzt”, so zehn Bereitschaftsdienste sowie je einen Monat als Krankheitsvertretung und im Nachtdienst. Doch Wallmann weiß, dass sich der Personalmangel breit macht: „Es gibt Krankenhäuser in der Region, die praktisch ganze Abteilungen nur noch mit Leihärzten fahren.”

Nachfrage nach Leih-Ärzten steigt

Seit zwei Jahren gibt es gar einen eigenen Bundesverband der Honorarärzte. Dessen 2. Vorsitzender Dr. Florian Hentschel schätzt die Zahl der hauptberuflich als Leihärzte tätigen Mediziner deutschlandweit auf rund 2000. Professionelle Verleihfirmen stießen mit ihrem Angebot auf „immer mehr Bedarf”.

Die freiberufliche Tätigkeit ist sei „durchaus lukrativ”. Es lasse sich das 1,5-fache verdienen als bei einer Festanstellung. Zudem entschieden sich zunehmend Mediziner dafür, weil sie sich ihre Dienste dann selbst einteilen können. „Junge Kollegen lassen sich nicht mehr 48 Stunden verheizen.”

Ausweg: mehr Kooperation bei Kliniken

Kritisch werten die Vertreter der Zunft, dass Leihärzte mit der Teamarbeit, auch mit Apparaturen in „ihrer Arbeitsstätte auf Zeit” nicht vertraut seien. Das könne zulasten der Versorgungsqualität gehen. Beide Mülheimer Krankenhäuser verweisen indes darauf, dass sie nur Fachärzte mit deutscher Approbation einsetzten. „Und hauptsächlich nachts, zu OP-Zeiten arbeiten wir mit eigenem Personal”, so Krog (EKM).

Während die Krankenhausgesellschaft als Strategie gegen den Personalmangel fordert, die Tätigkeit als Klinikarzt aufzuwerten und mehr Medizin-Studienplätze zu schaffen, geht Dr. Robert Schäfer, geschäftsführender Arzt bei der Ärztekammer Nordrhein, weiter. Auch er fordert, die Attraktivität des Arztberufes zu steigern, damit die Krankenhäuser weniger Durchlaufstation für die Arztausbildung sind, sondern mehr Fachärzte langfristig an sich binden können. Der Personalmangel lasse sich aber vor allem beheben, wenn Krankenhäuser viel stärker als bisher kooperieren würden. Ein Haus könne auch zugunsten des anderen eine Abteilung schließen und das vorhandene Facharzt-Personal anderswo zur Steigerung der Versorgungsqualität und Beseitigung des Personalmangels eingesetzt werden. Auch die Aufgabe ganzer Häuser sei sinnvoll. „Wir haben zu viele Gemischtwarenläden”, sagt Schäfer. „Wir brauchen größere, ökonomisch sinnvollere Einheiten.” Für eine Stadt wie Mülheim gelte: „Das gesamte Leistungsprofil muss konfessionsübergreifend zusammengefasst werden.”