Mülheim. Im Landschaftsschutzgebiet am Mülheimer Golfplatz wurde ohne Genehmigung gerodet. Naturschutzbund entdeckt bei Begehung tote Kröte.
Im Landschaftsschutzgebiet entlang des Golfplatzes in Selbeck sind unbefugterweise rund 200 Quadratmeter Natur weggebaggert worden. Der bis vor kurzem dicht bewachsene Streifen soll vielen Tieren als Lebensraum gedient haben. Eine Anwohnerin ist entsetzt und hat das Umweltamt eingeschaltet, das den Vorfall ahnden will. Auch der Naturschutzbund war vor Ort und kommt zu einem verheerenden Urteil.
Hier draußen scheint die Idylle perfekt, man lebt im Einklang mit der Natur – wenige Wohnhäuser schmiegen sich an die ländlichen Straßen, die sich rund um den Golfplatz schlängeln. Doch am Freitagmorgen gab es für Anwohnerin Gabriele Metz ein böses Erwachen – buchstäblich: Dröhnender Baggerlärm durchschnitt die Ruhe, begrub auch das letzte Vogelgezwitscher unter sich. Ein Blick aus dem Fenster ließ der Selbeckerin erstarren: Direkt hinter ihrem Gartenzaun pflügte eine riesige Maschine alles um, was dort wuchs: Brombeerbüsche und andere Sträucher, Kopfweiden und kleinere Bäume, dazwischen jede Menge Gras – ein Rückzugsraum für zig Tierarten, schildert die Anwohnerin.
Auch bodenbrütende Vögel wie Fasane lebten in dem umgepflügten Gebiet
Zahlreiche Vögel, auch solche, die am Boden brüten wie etwa Fasane, dazu Insekten und Amphibien hätten dort gelebt, schildert Gabriele Metz. Nun ist nur noch braune, aufgewühlte Erde zu sehen. „Es ist doch Brut- und Setzzeit, in der man in der Natur nicht einfach runterschneiden darf, wie es einem gefällt. Da sind Nester zerstört und Amphibien wie Kröten, die derzeit wandern, plattgemacht worden“, bringt die 54-Jährige, die seit zwölf Jahren in einem Fachwerkhaus am Haubach wohnt, ihr Entsetzen zum Ausdruck.
Auch ihr Komposthaufen und Gartengeräte, die am Zaun lagerten, seien beschädigt worden oder gar ganz verschwunden, der Zaun wackelt nun beträchtlich. „Doch um meine persönlichen Dinge soll es gar nicht gehen, hier ist Natur vernichtet worden.“ Eigentümerin des Geländes ist Metz selbst nicht. Der Streifen gehört zur Fläche des Golfplatzes, der das Gelände, das er bewirtschaftet, von verschiedenen Landbesitzern pachtet, heißt es beim Golfclub auf Anfrage.
Naturschützer finden bei der Begehung tote Kröten und Spuren von Wild
Dass durch das Bagger-Manöver viel an Natur zerstört worden ist, bestätigen Cora und Gert Ruhrmann vom Naturschutzbund bei einer Begutachtung des Geländes. „So etwas kann man in dieser Jahreszeit nicht machen, sondern muss dazu Wintermonate wie Dezember oder Januar wählen“, verdeutlicht Nabu-Expertin Cora Ruhrmann und erklärt: „Wir befinden uns mitten in der Fortpflanzungsperiode der Amphibien, die Kröten wandern jetzt – etwa auch zu den Teichen auf dem Golfplatz.“ Auch Feuersalamander und Molche seien hier unterwegs. Bei der Begehung finden die Nabu-Experten nicht nur umgepflügtes Grün, sondern auch eine tote Kröte und sehen frische Rehspuren in der nassen Erde. „Hier war vorher dichte Vegetation, die auch das Wild als Rückzugsort genutzt hat“, erzählt Anwohnerin Metz.
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Als sie das „Massaker“ am Freitagmorgen entdeckte, stoppte sie den Bagger und rief das Umweltamt an. Daniela Specht, Artenschutzbeauftragte im Mülheimer Umweltamt, machte sich vor Ort selbst ein Bild. „Es handelt sich um Landschaftsschutzgebiet, da hätten solche Maßnahmen im Vorfeld mit uns abgestimmt werden müssen“, sagt die Vertreterin des Umweltamtes und ordnet ein: „Die Rodungsarbeiten werden so erstmal nicht weitergehen, dank Frau Metz ist Schlimmeres verhindert worden.“ Das Umweltamt kündigt an, ordnungsgemäß zu ermitteln: „Das hat Konsequenzen.“
Golfclub in Mülheim-Selbeck äußert sich zu den Vorwürfen
Den Verursacher, einen Greenkeeper vom Golfclub, hat die Artenschutzbeauftragte vor Ort noch angetroffen: „Es ist ihm klar geworden, dass es in dem Schutzgebiet Gebote und Verbote gibt. Alles, was in Schutzzonen in Oberflächen oder Vegetation eingreift, ist bei uns zu beantragen.“ Beim Golfclub in Selbeck räumt Platzwart Alexander Strasdat ein: „Es war ein Fehler, dort zu roden. Dem Mitarbeiter war nicht bewusst, dass er dafür eine Genehmigung gebraucht hätte.“ Der Platzwart meint: „Die Vegetation wächst nach, kein Tier ist verletzt worden, es ist vorher geprüft worden, ob da Amphibien unterwegs waren. Das ist der tägliche Job der Greenkeeper.“ Das Bußgeld werde man natürlich akzeptieren: „Lehrgeld für den Mitarbeiter“, nennt es Strasdat.
Die Ordnungswidrigkeit wird vonseiten des Umweltamtes geahndet werden, ein Verwaltungsverfahren werde angestoßen, kündigt Daniela Specht an. Die Größenordnung des Bußgeldes ließe sich noch nicht genau beziffern. Faktoren dafür seien der Schutzstatus der Tiere und der festgestellte Straftatbestand – sollte die Handlung vorsätzlich ausgeführt worden sein, kann das Bußgeld höher ausfallen. „Alle einheimischen Amphibienarten sind besonders geschützt und auch Kleinsäuger wie Igel oder Maulwurf.“
Umweltamt: Natur hat die Kraft, sich wieder zu erholen
Tragisch sei laut Specht, dass der Bewuchs des Bodens regelrecht abgeschabt worden ist. „Genau das ist weg, wo die bodengebundenen Arten – teils besonders geschützte – leben, neben Amphibien auch Kleinsäuger, die verkriechen sich in solch einem Dickicht. Die Amphibien sitzen unter der ersten Laubschicht oder unter dem Moos.“ Zu erkennen ist davon so gut wie nichts mehr. Den Schaden für die Natur schätzt Specht indes als nicht sonderlich groß ein: „Wenn man die Natur jetzt in Ruhe lässt, kann sie sich wieder erholen.“
Darauf hofft nun auch Anwohnerin Gabriele Metz. Gleichwohl findet sie es erschreckend, was durch die Rodungsaktion in der Natur angerichtet worden ist: „Ich lebe hier mittendrin und es bricht mir das Herz.“