Mülheim. Kindertagespflegepersonen aus Mülheim fordern in einem Bürgerantrag 20 bezahlte Ausfalltage. Welche Konsequenzen das für Stadt und Eltern hätte.

Vor einem „Zusammenbruch der selbstständigen Kindertagespflege“ warnt das Netzwerk Kindertagespflege NRW (KTP). Der Verbund von Selbstständigen in der Kindertagespflege spricht in einem offenen Brief von einer „Entziehung der finanziellen Grundlage vieler Kindertagespflegepersonen“. Schuld daran sei das Fehlen von bezahlten Urlaubs- und Krankheitstagen. Die Regelungen diesbezüglich sind von Kommune zu Kommune unterschiedlich – besonders schlecht sind sie aber in Mülheim.

Daran will der Verein „Kinder aus Mülheim“ jetzt etwas ändern. Die Vereinsvorsitzende und Kindertagespflegemutter Nina Richter hat deswegen bereits im November 2022 einen Bürgerantrag bei der Stadtverwaltung gestellt. Gemeinsam mit 150 Unterstützerinnen und Unterstützern (Kollegen und Eltern) werden darin 20 bezahlte betreuungsfreie Tage gefordert.

Ob der Antrag Erfolg hat, wird sich zeigen. Das zuständige Amt für Kinder, Jugend, Schule und Integration gibt auf Nachfrage an, man habe gemeinsam mit den Initiatoren eine sogenannte Unterarbeitsgruppe gebildet, „um gemeinsam einen differenzierten Behandlungsvorschlag zu erarbeiten“. Die Unterarbeitsgruppe soll am 15. März erstmals zu einem Treffen zusammenkommen. Die Frage, wann frühestens mit einer Entscheidung zu rechnen sei, blieb vom zuständigen Amt unbeantwortet.

NRW-Vergleich: Kindertagespflege in Mülheim anzubieten, ist extrem unattraktiv

Wie alle Selbstständigen haben auch Kindertagespflegepersonen (KTPP) grundsätzlich keinen Urlaubsanspruch. Anders als Normalbeschäftigte, denen in Vollzeit mindest 20 Tage Jahresurlaub zustehen, müssen KTPP ihre Urlaubs- und Krankentage selbst finanzieren – zumindest in Mülheim und einigen anderen Kommunen NRWs. Hier stehen Kindertagespflegepersonen für Urlaub und Krankheit nämlich genau 0 Tage zur Verfügung; im NRW-Mittel sind es laut KTP NRW 37,4 Tage.

Wenn KTPP in anderen Kommunen Verträge mit dem Jugendamt schließen, werden ihnen also durchaus auch bezahlte betreuungsfreie Tage eingeräumt. In diesen Verträgen, die Voraussetzung dafür sind, dass Eltern ihr Recht auf einen Betreuungsplatz auch bei den betreffenden KTPP geltend machen können, wird außerdem auch der Stundensatz geregelt.

Mülheim berechnet KTPP jeden Monat zu wenig Arbeitstage

KTPP aus Mülheim werden nach der jetzigen kommunalen Reglung pro Jahr 20 Arbeitstage vom Honorar abgezogen. Das müsse, wie Albina Rhinow vom Verein Kinder aus Mülheim erläutert, reichen: für Urlaub, Krankheit und Weiterbildung. „Das ist natürlich viel zu wenig“, so Rhinow, die seit 2015 in der Kindertagespflege tätig ist und in Mülheim zwei Großtagespflegen leitet.

Und besonders misslich ist dann noch eine eigenwillige Zählweise von Arbeitstagen in Mülheim, die die hiesigen Kindertagespflegepersonen noch einmal finanziell benachteiligt. In einer Datenerhebung des KTP NRW wird die Stadt sogar eigens erwähnt: „So bekommen KTPP in Mülheim an der Ruhr die laufende Geldleistung pro Monat nur für vier Wochen, statt wie in anderen Jugendamtsbezirken üblich für 4,33 Wochen, bezahlt. Pro Monat fehlen einer Mülheimer KTPP somit 0,33 Wochen Bezahlung im Vergleich zu KTPP in anderen Jugendamtsbezirken.“

Dies zu ändern, liegt in den Händen der Stadtverwaltung. Nur sie kann die Arbeitsbedingungen der in Mülheim tätigen Kindertagespflegepersonen verbessern. Die müssten im Umkehrschluss zuerst ihren Arbeitsort wechseln, um finanziell auf sichereren Beinen zu stehen.

Konsequenzen der Neureglung für die Stadt Mülheim und Eltern

Interesse an einer Neuregelung dürfte neben den betroffenen Selbstständigen auch die Stadt Mülheim haben, die sich auf die Kindertagespflegepersonen verlässt, um einen guten Betreuungsschlüssel nachweisen zu können. Es herrscht schließlich ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Kitas allein können dem insbesondere im U3-Bereich nicht genüge tun: Nach Angaben der Stadt stehen hier aktuell maximal 1176 U3-Plätze in den Kitas 1265 in Kindertagespflegeeinrichtungen gegenüber.

Auch den Eltern dürfte daran gelegen sein, ihre Kleinsten in guten Händen zu wissen. Der Druck und die Verantwortung, die auf den Kindertagespflegepersonen lastet, sei beträchtlich, so Nina Richter im Bürgerantrag: „Die Qualitätsanforderungen sind seitens des gesetzlichen Auftrages, der Anforderungen der Eltern an die Kindertagespflegepersonen sowie den ökonomischen Bedingungen enorm gestiegen.“

Negative Auswirkungen für Mülheimer Eltern möglich

Während es bei den Betroffenen um die Existenz geht, sei die Stadt finanziell von einer Neureglung übrigens gar nicht negativ betroffenen: Die Änderung sei „haushaltsneutral“ und der Stadt entstünden keine weiteren Kosten. Deswegen könne die Stadt Mülheim die „Änderung sofort umsetzen“, heißt es im Bürgerantrag.

Doch die Eltern müssten dann damit leben, dass ihre Kinder eventuell an mehr Tagen im Jahr als bislang nicht betreut werden können.