Mülheim. An Mülheims Ruhrufer verschwindet gerade eine Landmarke Mülheimer Industriegeschichte. Wir waren vor Ort, um die Demontage zu beobachten.
Wer dieser Tage womöglich mal wieder im Rückstau auf der Konrad-Adenauer-Straße steht und den Blick ans Ruhrufer schweifen lässt, wird Bewegung bei der Friedrich-Wilhelms-Hütte vernehmen. Dort ist schweres Gerät aufgefahren, um ebensolche Schwergewichte vom Betriebsgelände zu entfernen.
Es sind sichtbare Zeugen Mülheimer Industriegeschichte, die schon an diesem Freitag verschwunden sein sollen: Die Essener Spezialfirma Teichmann demontiert am Ruhrufer zwei riesenhafte Schwerlastkräne, mit denen dereinst Abertonnen Brammen und stählerne Großbleche für die Hütte und den benachbarten Stahlhandel von Thyssenkrupp Schulte vom Wasser auf Land oder andersherum gehievt worden sind. Der Stahlgroßhandel Schulte, der den Umschlagplatz auf dem Areal der Hütte über viele Jahre betrieben hatte, meldete im Juni 2021 Insolvenz an und wurde später liquidiert.
Essener Firma sorgt in Mülheim für die Demontage der schwergewichtigen Anlagen
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Eine Anekdote der Geschichte: Die Essener Teichmann Gruppe hat die Kräne, schon damals gebraucht und aufbereitet, einst auf dem Hütten-Areal aufgebaut, nun läuft das Ganze in der Rückabwicklung. Das Familienunternehmen hat sich auf den Handel von gebrauchten Krananlagen spezialisiert, hat in seinem Lager am Essener Hafen aktuell 250 Anlagen verstaut, die auf neue Einsätze warten. Dazu im riesigen Ersatzteillager 20.000 Komponenten jeglichen Fabrikats zur Generalüberholung der Kolosse aus Stahl.
Der Betrieb mit elf Standorten in Deutschland und 140 Mitarbeitern allein in Essen erfreut sich wegen kurzer Lieferzeiten an einer steigenden Nachfrage nach gebrauchten Krananlagen und reklamiert für sich, in diesem Geschäft europaweit führend unterwegs zu sein. Und dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung zu tragen, den mit reichlich CO2 behafteten Stahlbau wiederzuverwerten statt zu verschrotten. Das erzählt am Donnerstag beim Vor-Ort-Termin Johannes Teichmann als Prokurist und Sohn des Broicher Firmengründers Ralf Teichmann. Teichmann führt in seinem Portfolio Krananlagen mit Traglasten zwischen einer und 250 Tonnen. Am Donnerstag hat Teichmann junior zwei 20-Tonner fest im Visier.
Montageleiter zur Mülheimer Baustelle: Kein Kleinkram, „aber alles Routine“
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Eher kleinere Anlagen also. Aber natürlich doch so wuchtig, dass es eine Herausforderung ist, sie in alle Einzelteile zu zerlegen. Zumal dann, wenn die Anlagen möglichst unbeschadet bleiben sollen für einen Weiterverkauf. Seit Beginn der Woche sind Teichmann-Fachleute am Werk. In der Vorbereitung wurden erste Einzelteile der Anlagen demontiert. Jedes Bauteil bekam per Meißel einen Körnpunkt eingeschlagen, um später zu erkennen, an welcher Position der Anlage es später wieder einzubauen ist. Drei Autokrane sind zur Demontage aufgebaut, dazu zwei Arbeitsbühnen. Kein Kleinkram, „aber alles Routine“, sagt Montageleiter Mouloud Doudouhi.
Er und Teichmann können am Donnerstagmorgen dann auch erfreut beobachten, wie die erste von zwei Krananlagen behutsam in die Knie geht, die Träger nach Entfernen der Traversen auf den Schienen der Anlage so lange in den Spagat gehen, bis die Brücke aus luftiger Höhe abgelassen wird und auf dem Boden aufsetzt. Nur diesen einen Tag hat die Schifffahrtsbehörde der Kranfirma Zeit gegeben, die über die Ruhr ragende Brücke auch noch um 90 Grad zu drehen, damit die Schifffahrtsstraße wieder freigegeben werden kann.
70 Tonnen Stahl werden über Straßen von Mülheim nach Essen transportiert
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Sieben Schwerlasttransporte sind beantragt, um die Einzelteile der Anlagen ins Lager nach Essen zu bringen, dazu drei für die Kleinteile. 70 Tonnen Stahl sind von A nach B zu bewegen. Noch als die Kräne an Mülheims Ruhrufer in Betrieb waren, ist Teichmann in die Weitervermarktung gegangen, hat Kaufinteressenten vor Ort gezeigt, was die Kräne, dann generalüberholt, bald auf ihren Firmengeländen zu leisten imstande sein könnten. Abnehmer sind schon in Sicht.
Derweil zeigt die Sicht auf das Hütten-Areal wohl am Freitag schon einen geräumten Umschlagplatz. Hier könnte, so ein langwährender politischer Wille in Mülheim, in Zukunft einmal rechts der Ruhr der Lückenschluss für den Ruhrtalradweg Realität werden. Das Mega-Projekt „Mülheim-West“ zur Stadtentwicklung sieht vor, die Grundstücke zwischen Ruhrbania in der Innenstadt sowie Aldi und RWW in Styrum neu zu ordnen, attraktiver zu gestalten und gewerblich wieder mehr auszunutzen. Dafür kooperieren die Grundstückseigentümer, darunter eben auch Thyssenkrupp Schulte und Hütte, mit der Stadt.
Im März soll es zum Projekt „Mülheim-West“ eine Bürgerinformationsveranstaltung geben, um anschließend den Feinschliff für die Auslobung eines städtebaulichen Wettbewerbs vorzunehmen. Dieser könnte womöglich im September anlaufen und Ende des Jahres einen Siegerentwurf hervorbringen.
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