Wenn draußen nicht nur die winterliche, sondern auch die soziale Kälte herrscht – auf der Montagsdemo bekommt man die nötige Wärme fürs Herz und das Feuer für die Argumentation.
Wenn draußen nicht nur die winterliche, sondern auch die soziale Kälte herrscht – auf der Montagsdemo bekommt man die nötige Wärme fürs Herz und das Feuer für die Argumentation.
So mischt sich polemische Banker-Schelte munter mit der Forderung nach gerechter Arbeits- und Lohnverteilung. Fünf Jahre hat Hartz IV auf dem Buckel, mindestens genauso lange haben einige der rund zehn wackeren Streiter auf dem Kurt-Schumacher-Platz demonstriert. „Es gibt nix Beständigeres als die Montagsdemo”, ruft Sprecher Gerhard Schweizerhof übers Mikrofon. Mancher Fußgänger stiefelt schnell an ihnen vorbei, andere hören kurz zu oder entgegnen etwas. Hin und wieder ist es ein spöttischer Kommentar oder ein hastig gerauntes „Geht arbeiten!” – „aber Menschen schnappen unsere Argumente auf”, ist sich Schweizerhof sicher, und fühlt sich von der aktuell aufgewärmten Diskussion bestätigt.
Nur traut er den jüngsten Reformvorschlägen zu Hartz IV des „Arbeiterführers” Jürgen Rüttgers ebensowenig wie den Warnungen Dagmar Mühlenfelds vor sozialer Unruhe: „Wir haben keine Angst vor Unruhe, sie kann auch produktiv sein”, sagt der praktizierende Mediziner. An Rüttgers „Reform” kritisiert Schweizerhof die damit verbundene Entsolidarisierung: „Er pickt sich die Gruppe derjenigen heraus, die lange gearbeitet haben, und stellt sie gegen Langzeitarbeitslose.”
Hartz IV richte sich aber nicht gegen Arbeitslosigkeit, sondern gegen die Menschen, so der Sprecher, es reiche daher nicht, das Gesetz zu reformieren, es sei entwürdigend für die betroffenen Menschen und führe zu Verarmung und – wegen der Ein-Euro-Jobs – zu Niedriglöhnen. Stattdessen spricht sich Schweizerhof im Fall der Arbeitslosigkeit für die unbegrenzte Fortsetzung von ALG I aus. „Mir geht es aber um die Umverteilung von Arbeit – unsere Gesellschaft lässt so viele Fähigkeiten ungenutzt liegen.”
Einer von ihnen hält der Demo seit fünf Jahren buchstäblich die Fahne. Michael O. war selbstständig, dann Berufskraftfahrer. Bis er seinen Job verlor. „Weg mit Hartz IV, wir sind das Volk”, steht auf dem Banner. Mit 53 Jahren schätzt er seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt schlecht ein. „Ich mache bald eine Schulung”, sagt O., nützen werde es aber wohl nur denjenigen, die ihn unterrichten, befürchtet er.
Ganz anders stieß Jutta O. vor fünf Jahren dazu: „Warum ist das hier so laut?”, hatte sie sich beim Vorbeigehen an der Montagsdemo gedacht. Dann hörte die ehemalige Chefsekretärin zu und machte seitdem mit. 38 Jahre – seit ihrem 16. Lebensjahr – hat sie gearbeitet, dann ging ihr Chef in Rente. „Ich hatte sogar noch Glück und durfte dank einer Sonderregelung mehr Erspartes behalten. Doch schon die 4,60 Euro für den Weg in die Stadt und zurück zehren an dem Ersparten. „Mich regt es auf, wenn Politiker so tun, als wäre der Regelsatz rein für die Ernährung gedacht.” Einige hundert Bewerbungen hat sie geschrieben, um den Leistungsanspruch zu erhalten, denn sie verliefen ergebnislos. „Ich hätte nie gedacht, dass sich das Gesetz so gnadenlos auf jeden Betroffenen auswirkt”, sagt sie, egal, wie lange man gearbeitet hat. Deshalb ist sie hier, statt im Warmen zu sitzen: „Auf der Couch nützt mein Protest ja nichts.”