Mülheim. Bei Anruf Flug: Ganz spontan wurde Timm Holzhauer gefragt, ob er Infusionsbeutel an die ukrainische Grenze fliegen kann. Ein Reisebericht.

Den wichtigsten Satz sagt Timm Holzhauer ganz zum Schluss. „Wenn man mal eben dorthin fliegt, wird einem erst so richtig klar, wie nah der Krieg ist.“ Der Mülheimer ist Hobbypilot und hatte Anfang November seinen vielleicht bedeutsamsten Flug: Für die privat organisierte Luftbrücke „Ukraine Air Rescue“ flog er gespendete Infusionsbeutel ins polnische Mielec kurz vor der Grenze zur Ukraine.

„Uns ist ein Pilot ausgefallen und wir haben sehr kurzfristig Ersatz gebraucht“, erinnert sich Kay Wolf, der den Mülheimer einen Tag vor dem Flug am Hörer hatte. Wolf ist Mitbegründer der Luftbrücke, die von Hobbypiloten ins Leben gerufen wurde. Inzwischen beteiligen sich 66 aktive Flieger, die inzwischen 24 Tonnen an Medikamenten auf schnellstem Wege transportiert haben. Auf Achse wären die Hilfsgüter ungefähr vier Tage unterwegs. Mit dem Flugzeug sind es nur ein paar Stunden. „Da setze ich mein Hobby gern sinnvoll ein“, sagt Timm Holzhauer. Er ist in vielerlei Hinsicht ein patenter Kandidat für diese Mission. Er hat mehr als drei Jahrzehnte Flugerfahrung und verfügt über eine Nachtflug- und eine Instrumentenfluglizenz. Das heißt, er kann auch fliegen, wenn es auf Sicht allein nicht geht.

Von Mülheim an die ukrainische Grenze in drei Stunden – mit Rückenwind

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Timm Holzhauer startete am 9. November vom Flughafen Essen/Mülheim und landete zunächst in Bonn/Hangelar zwischen, um die Medizinspende einzuladen. „Mein Flugzeug hat eine große Ladetür und eine gute Zuladung. 250 Kilogramm bekomme ich mit“, erklärt der Pilot, der Mitglied im Aero Club Mülheim ist. Etwa vier Stunden kann er mit vollem Tank fliegen – das hängt vom Gesamtgewicht und der Windrichtung ab. „Ich war in drei Stunden in Polen. Aber ich hatte auch Rückenwind. Der Rückweg war nicht so schön. Da habe ich allein dreieinhalb Stunden bis Hannover gebraucht.“ Holzhauers Privatmaschine ist eine Beechcraft Bonanza, ein Klassiker der Privatfliegerei, der viele Liebhaber hat.

Timm Holzhauer aus Mülheim hatte auf seinem Hilfsflug bestes Wetter.
Timm Holzhauer aus Mülheim hatte auf seinem Hilfsflug bestes Wetter. © Timm Holzhauer/Aero Club

Die wenigste Zeit hat Holzhauer im polnischen Grenzort verbracht. „Das ging ganz schnell. Ich habe die Ware übergeben und war schon wieder weg.“ Doch wie stellt die Hilfsorganisation sicher, dass die Spenden auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden? „Wir arbeiten mit NGOs vor Ort zusammen und stehen per Handy mit den Fahrern im Kontakt. Für sie ist der Weg zum Teil beschwerlich. Manchmal kommen sie gut über die Grenze, manchmal dauert es länger. In dieser Woche gab es wieder viele Angriffe in Lwiw. Durch die Stromausfälle hatten wir Schwierigkeiten, in Kontakt zu bleiben“, erklärt Kay Wolf. Wenn die Spenden sicher angekommen sind, bekommen die Helfer Fotos geschickt.

Der Mülheimer war zum Wasserfliegen schon oft in Polen

Timm Holzhauer hat auch eine Wasserflugberechtigung und war bereits häufig in Polen, um das Starten und Landen auf dem Wasser zu trainieren. „Je glatter der Wasserspiegel, desto schwieriger wird es. Dann ist die Oberfläche wie Beton. Wer zu schnell aufsetzt, überschlägt sich“, erklärt er. Einhundert Flugstunden absolviert der Mülheimer im Jahr ungefähr, und wenn man ihm zuhört, erkennt man sofort den praktischen Nutzen. „Mein Bruder wohnt auf der Nordseeinsel Föhr. Mit dem Auto wäre ich sechs Stunden unterwegs. Mit dem Flieger nur eineinhalb Stunden.“ Und natürlich fliegt sich der 51-Jährige selbst in den Urlaub, bevorzugt nach Südfrankreich oder Norwegen.

250 Kilogramm medizinische Spenden konnte die Beechcraft Bonanza laden.
250 Kilogramm medizinische Spenden konnte die Beechcraft Bonanza laden. © Timm Holzhauer/Aero Club

Timm Holzhauer kann sich sofort vorstellen, weitere Hilfsflüge zu machen. „Aber ich muss auf das Wetter achten. Mein Flugzeug hat keine Enteisung.“ Auch Kay Wolf sagt: „Im Winter wird es schwieriger, Piloten und Flugplätze zu finden.“ Die Aufgaben jedoch werden nicht weniger. Gerade wird die Evakuierung eines Kinderhospizes vorbereitet. „Dann sind wir gemeinsam mit Ärzten als fliegende Intensivstation unterwegs.“ Denn auch das gehört zum Einsatz der Luftbrücken-Piloten: Immer wieder werden Menschen mit Behandlungsbedarf aus der Ukraine mitgenommen. 76 Menschen waren es bisher. „Das sind Achtzigjährige im Rollstuhl, aber auch krebskranke Kinder.“

Auch der Flughafen Essen/Mülheim hat einen Beitrag zu der Aktion geleistet

Die Spenden werden in der Regel von den Kölner Vereinen Blau-Gelbes-Kreuz und City of Hope organisiert. Kay Wolf und seine Partner kontaktieren dann die Piloten und koordinieren die Abholung vor Ort durch ukrainische Hilfsorganisationen. Auch der Flughafen Essen/Mülheim hat einen Beitrag geleistet. Er hat die Gebühren für Flug und Landung erstattet.