Mülheim. An der Holzstraße, am Steinbruch, soll Mülheims „Grüne Mitte“ wachsen. Die Politik hatte zu entscheiden zwischen neuen Wohnungen und Klimaschutz.
Wie viel Wohnraum braucht Mülheim, und wo sollten noch Flächen dafür erschlossen werden? Als Pfund für die Entwicklung des Wohnungsmarktes hatte der ehemalige Planungsdezernent Peter Vermeulen 2020 noch das 6,3 Hektar große Gelände am Steinbruch Rauen, zwischen Holzstraße und Heuweg, bezeichnet und von „Grüner Mitte“ im Umfeld der Ruhr gesprochen. Der Haken: Um die „Grüne Mitte“ bauen zu können, muss die im Plan verzeichnete Grünfläche um ein gutes Drittel (2,1 Hektar) gestutzt werden. In der Bezirksvertretung 3 gab man dafür nun das Okay.
Die endgültige Entscheidung fällt Mitte Dezember der Rat. Derzeit gelten 6,3 Hektar des ins Auge gefassten Gebietes laut Regionalem Flächennutzungsplan als Grünfläche und Allgemeiner Freiraum- und Agrarbereich. Nur ein geringer Bereich im Norden (0,2 Hektar) direkt an der Holzstraße galt als Wohnbaufläche.
Reale Versiegelung im Grünen ist längst ausgeprägter als auf dem Plan
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Künftig werden daraus offiziell 2,1 Hektar, hingegen sind nur noch 4,2 als Grünfläche ausgewiesen. „Bei Umsetzung der Planung werden voraussichtlich durch den Bau und Betrieb von Gebäuden, Infrastruktur und die zusätzlich zu erwartenden Verkehrsbewegungen zusätzliche Treibhausgase emittiert“, heißt es im Prüfbericht zur Klimawirkung. Erwartungsgemäß sei von einer „erheblichen Erhöhung der Treibhausgasemissionen auszugehen“ – schlecht für eine Stadt, die vor zwei Jahren den Klimanotstand erklärte?
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Der künftig als Wohnbaufläche ausgewiesene Bereich ist längst verdichtet und versiegelt. Nicht nur wegen der Tennishalle, der dazugehörigen Parkflächen und Tennisaußenflächen sowie der (früheren) Minigolfanlage. Denn vor etlichen Jahren hatte die Stadt in dem Gebiet ebenfalls temporäre Flüchtlingsunterkünfte errichten lassen, die weitaus tiefer reichen als die vorhandene Bebauung, sowie ein Impfzentrum.
Die jetzt durchgewunkene Änderung im Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) sieht daher im Vergleich mit der aktuellen Realität sogar weniger Wohnbaufläche vor.
Grüne wollen Kleingartenanlage gesichert sehen
Das bestätigt auch Carsten Voß aus der Grünen-Fraktion in der BV3: „Uns kam es aber auch darauf an, dass es eine Sicherheit für die bestehende Kleingartenanlage gibt.“ Denn auch diese Anlage im Nordosten des Gebiets an der Holzstraße war bislang in Teilen im festgelegten „Bereich zum Schutz der Natur“ (BSN) errichtet. Im Änderungsplan gilt die Anlage nun ebenfalls als Teil der Wohnbaufläche, soll aber nicht durch Wohnbebauung ersetzt werden.
Wie grün wird aber nun die sogenannte „Grüne Mitte“, zu der übrigens auch die Ibing-Brauerei und das Lindgens-Areal zählen sollen? An beiden Stellen sind derzeit wenig Fortschritte zu erkennen. Auf dem Brauerei-Gelände habe man nunmehr das sichtbare Gebäude abgerissen, Pläne, was dort entstehen soll, seien nicht bekannt, teilte die Verwaltung auf Anfrage in der BV3 mit.
Aus Sicht der Politik und Verwaltung muss an der Holzstraße der konkrete Bebauungsplan die möglichen Klimawirkungen erst noch festlegen: Es sollen dort emissionsarme Planungsalternativen erörtert werden, heißt es. Dem Vernehmen nach gibt es über den Umfang der Bebauung noch Dissens zwischen Eigentümer (weniger) und Stadt (mehr Bebauung). Für die verbleibenden 4,2 Hektar Grün zumindest legt der Änderungsplan nun einen härteren Schutz an: Sie sollen als „Grünzäsur“ zwischen der zukünftigen Bebauung und dem gewerblichen Steinbruch – und somit als Naturschutzgebiet – festgelegt werden.