Mülheim. Ungewollt schwanger? Fünf Beratungsstellen gibt es in Mülheim. Drei Gynäkologen führen Schwangerschaftsabbrüche durch. Die wichtigsten Infos.
Das Werbeverbot für den Schwangerschaftsabbruch ist schon im Sommer aufgehoben worden. Ärztinnen und Ärzte, die jetzt – etwa auf ihrer Homepage – offen und sachlich über den Verlauf eines Abbruches informieren, machen sich nicht mehr strafbar. In Mülheim führen aktuell drei Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durch, sie werben aber nicht groß dafür – wie ein Blick ins Internet zeigt.
Dr. Detlef von Wrese und die Praxis Phytides weisen unter dem Oberbegriff „Ambulante Operationen“ diskret mit lateinischem Begriff auf die Leistung hin. „Der dritte Gynäkologe möchte öffentlich nicht erwähnt werden. Dass das Verbot aufgehoben wurde, hat Sinn. Es hilft den Frauen, macht alles transparenter. Viel Werbung werden die Ärzte aber wohl nicht machen“, glaubt Cornelia Gier von der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung der Stadt Mülheim, „die Mediziner wollen ja nicht die Abtreibungsgegner auf den Plan rufen.“
Diese Möglichkeiten haben ungewollt schwangere Frauen in Mülheim:
Eine Ärztin/einen Arzt finden
Betroffene Frauen kommen ohnehin auf anderen Wegen an die entsprechenden Adressen – etwa über Listen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (familienplanung.de) oder der Bundesärztekammer. Die Gynäkologen und Gynäkologinnen in Mülheim wissen natürlich auch, welcher Kollege Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Aber auch die Beratungsstellen für Schwangerschaftskonfliktberatung können die entsprechenden Praxen nennen. „Jede Frau, die an einen Abbruch denkt, muss ja eine Konfliktberatung besuchen, um an den Beratungsschein zu kommen, den der Arzt oder die Ärztin braucht, um den Eingriff durchführen zu können“, sagt Cornelia Gier.
Schwangerschaftskonfliktberatung besuchen
Fünf Anlaufstellen für ungewollt schwangere Frauen gibt es in Mülheim. Neben der Stadt haben auch die Diakonie, die Awo, Donum Vitae und die Caritas entsprechende Beratungsstellen. Die Caritas darf allerdings keine Beratungsscheine ausstellen. „Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist kostenfrei und auf Wunsch anonym, sie erfolgt nach genauen Vorgaben. So soll sie beispielsweise ergebnisoffen erfolgen, ermutigen, aber nicht belehren. Medizinische, juristische und soziale Informationen werden gegeben. Wir müssen unter anderem auch über Unterstützungsmöglichkeiten, finanzielle Hilfen, Pflege und Adoption aufklären“, berichtet Cornelia Gier.
Meist sei die Beratung ein einmaliges Gespräch, manchmal gebe es einen zweiten Termin. „Viele Frauen sehen diese Beratung als gute Möglichkeit, mit einer neutralen Person über ihre Situation und ihre Nöte und Ängste zu sprechen. Oder sich überhaupt jemandem mitzuteilen“, hat die Sozialpädagogin erfahren. Erwartet werde, dass die Klientinnen auch Gründe anführen, warum sie einen Abbruch in Erwägung ziehen, verpflichtet dazu seien sie allerdings nicht.
Regeln und Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs
Zwischen Konfliktberatung und Behandlung müssen drei Tage liegen, in denen die Frau alles noch einmal überdenken kann. Der Abbruch kann medikamentös oder operativ erfolgen – mit Beratungsschein nur bis zur 12. Woche nach der Empfängnis. Das gilt auch bei kriminologischer Indikation, bei medizinischen Gründen ist er auch nach der zwölften Woche noch möglich. „Der Schwangerschaftsabbruch ist keine Kassenleistung, lediglich Vor- und Nachuntersuchung werden übernommen“, erläutert Cornelia Gier. Er kostet zwischen 300 und 500 Euro. Wer unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, erhält Unterstützung vom Land. „Dabei zählt nur das Einkommen der Frau“, so die Beraterin. Die Kasse wickele die Bezahlung aber ab, der Gehaltsnachweis muss vorgelegt werden.
Gründe der Frauen für einen Abbruch
Welche Gründe sind es, die Frauen veranlassen, eine Schwangerschaft abzubrechen? „Ich bemerke, dass momentan vermehrt Unsicherheiten über die finanzielle Zukunft eine Rolle spielen“, sagt Cornelia Gier. Allerdings gebe es viele weitere Auslöser. Dazu zählen unter anderem: Schwierigkeiten in der Partnerschaft, überhaupt kein Partner, kein Job, eine andere Lebensplanung (beruflich), eine zu schnelle Geburtenfolge, absolut kein Kinderwunsch und psychische oder körperliche Beeinträchtigungen. Manche Frauen kommen auch nach pränataler Diagnostik, wenn sie beispielsweise erfahren haben, dass eine Behinderung beim Kind vorliegen wird.
Alter der Frauen in der Konfliktberatung
Frauen jeder Altersklasse suchen die Konfliktberatungsstelle der Stadt auf. „Ich bemerke allerdings, dass sie nicht mehr ganz so jung sind wie früher“, berichtet die Beraterin. Das deckt sich mit den Zahlen, die das Statistische Landesamt (IT.NRW) regelmäßig für NRW herausgibt. Der Anteil der Minderjährigen ist gering. Konkrete Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Mülheim gibt es nicht. „Jede ungewollte Schwangerschaft ist eine belastende Situation, manche Frauen verzweifeln sogar“, sagt Cornelia Gier. Nach einem Abbruch können Frauen zur Nachsorge zu ihr kommen. Wer sich doch für das Kind entscheidet, erhält auch Hilfe und kann Schwangerschaftsberatung bei den Beratungsstellen erhalten.
Schwangerschaftsabbrüche in NRW
Wie viele Schwangerschaftsabbrüche jährlich in Mülheim erfolgen, ist schwierig zu eruieren. Auf IT.NRW (Statistisches Landesamt) kann man jedoch die Statistik für NRW einsehen. Für 2021 liegen die Zahlen vor. Demnach wurden 19.887 Abbrüche in Praxen und Kliniken durchgeführt. Das sind vier Prozent weniger als 2020 - und rund zehn Prozent weniger als vor zehn Jahren. Fast 90 Prozent der Frauen waren zwischen 18 und 39 Jahre alt, 2,4 Prozent minderjährig und 7,7 Prozent über 40 Jahre alt. Die Mehrheit von ihnen (57,5 Prozent) hatte bereits ein oder mehrere Kinder.95,1 Prozent der Abbrüche erfolgten nach der vorgeschriebenen Konfliktberatung, In 4,9 Prozent der Fälle lag eine medizinische oder kriminologische Indikation vor. 96 Prozent der Abbrüche wurden ambulant in Praxen oder Krankenhäusern durchgeführt, 4 Prozent stationär.