Mülheim. Wer zur Skifahrt mit darf, entscheidet sich am Mülheimer Karl-Ziegler-Gymnasium künftig nach Noten und Benehmen. Eltern protestieren dagegen.
- Am Karl-Ziegler-Gymnasium ist ein neues Fahrtenkonzept beschlossen worden.
- Demzufolge dürfen bei Überschuss einige der Interessierten „aussortiert“ werden.
- Auswahlkriterien sind laut dem Konzept unter anderem Sozialverhalten und Noten.
Die Skifahrt der Jahrgangsstufe acht hat am Karl-Ziegler-Gymnasium lange Tradition. Sie soll Spaß bringen und zusammenschweißen. Doch momentan passiert das Gegenteil. Die Schulgemeinschaft leidet unter der Tour, Eltern zerstreiten sich, seit die Schulkonferenz am 14. Juni ein neues Fahrtenkonzept beschlossen hat.
Die Schneereise ins Kleinwalsertal, die vor der Pandemie für alle Achtklässler verpflichtend war, dann zwei Jahre wegen Corona auf Eis lag, wurde nun zur freiwilligen Fahrt erklärt. 60 Jugendliche können künftig teilnehmen. Falls es mehr Interessenten gibt, „erfolgt die Auswahl unter Berücksichtigung pädagogischer Ankerpunkte“, so steht es im jüngst beschlossenen Fahrtenkonzept. Und weiter: „Noten und Sozialverhalten sind bei der Vorauswahl maßgebend. Finanzielle Gesichtspunkte sind nicht entscheidend.“
Beschwerde über neues Fahrtenkonzept der Mülheimer Schule: „Diskriminierend“
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Diese Neuerung bringt einige auf die Palme. In einer Mail aus der Elternschaft der Karl-Ziegler-Schule, die der Redaktion vorliegt, wird der umstrittene Beschluss der Schulkonferenz als „rechtswidrig und diskriminierend“ bezeichnet – als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes. Man habe dies bei der Bezirksregierung in Düsseldorf angezeigt.
Tatsächlich ist dort eine entsprechende Beschwerde eingegangen, dies bestätigt eine Sprecherin der Bezirksregierung. Sie werde geprüft, man habe darüber noch nicht entschieden. „Eine Rücksprache mit der Schule steht noch aus.“
Das neue Fahrtenkonzept ... Ute Gibbels, Leiterin der Karl-Ziegler-Schule, atmet tief durch. Dann äußert sie sich ausführlich zu diesem schwierigen Thema. Zunächst zum Grundsätzlichen: Aus zwei Gründen habe man das System der Klassen- und Studienfahrten geändert. Zum einen wegen des Wechsels von G 8 zu G 9 an allen Gymnasien. Die Jahrgangsstufe zehn wird dadurch zur letzten Klasse vor der Oberstufe. Eine viertägige, für alle verbindliche Abschlussfahrt soll es künftig geben.
Schulleiterin: Skifahrt ist aus Kostengründen nicht mehr verpflichtend
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Zum anderen, so Ute Gibbels, sei alles erheblich teurer geworden, und das wirke sich auch auf die Schulfahrten aus. „Vorrangig aus Kostengründen hat die Schulkonferenz im Juni beschlossen, die teure Skifahrt nicht mehr als verbindliche Klassenfahrt anzubieten.“
Die Entscheidung sei ohne Gegenstimme getroffen worden. Man habe sie sich „sehr, sehr schwer“ gemacht, es habe „ganz viel Ärger“ an der Schule gegeben – Gegenwind von Eltern, die über das notwendige Geld verfügen und ihre Kinder unbedingt auf Skifahrt schicken wollen. Als Kostenobergrenze sind laut Fahrtenkonzept 550 Euro festgesetzt – wobei die Schulleiterin zweifelt, ob man mit dieser Summe überhaupt auskommen wird. Die Teilnehmerzahl wird auf 60 Schülerinnen und Schüler begrenzt, das wäre etwa die Hälfte der Jahrgangsstufe.
Wer mit darf, entscheiden im Zweifel die Klassenlehrer
Dass im Zweifel Schulnoten und Sozialverhalten darüber entscheiden, wer mit darf, nicht das Familienbudget, findet Ute Gibbels in Ordnung. Die Kriterien seien mit der Schulaufsicht bei der Bezirksregierung abgestimmt worden, alles sei rechtlich sauber abgelaufen. „Es kann nicht angehen, dass jemand gegen jede Schulregel verstößt, aber mit auf Skifahrt darf.“ Wer entscheidet im Ernstfall? „Hier sind die Klassenlehrer ganz stark gefragt.“
Die Entscheidung über die Neuregelung hat die Lehrer- und Schulkonferenz getroffen. In der Schulpflegschaft als reiner Elternvertretung ist sie nach wie vor strittig. Deren Vorsitzender, Thorsten Stollen, sagt jedoch: „Die Stimmen, die sich gegen das Konzept wenden, sind deutlich in der Minderheit. Der Großteil der Eltern versteht und unterstützt das Konzept.“ Angesichts steigender Lebenshaltungs- und Energiekosten habe die Schule zu Recht reagiert. Man könne nicht verlangen, dass die teure Skifahrt von allen gestemmt wird.
Kleiderbörsen und „Skifahrttopf“ für finanzschwache Familien
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Für Familien, die durch das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) unterstützt werden, übernimmt die Sozialagentur die Kosten verbindlicher Schulfahrten. Für Eltern, deren Einkommen knapp über der Grenze liegt, wird es schwierig, das sagt auch die Leiterin der Karl-Ziegler-Schule. Im Fahrtenkonzept findet sich ein Hinweis auf die Mülheimer Stinnes-Stiftung, die bedürftige Familien unterstütze. In Einzelfällen seien auch Zuschüsse über den Förderkreis der Schule möglich.
Speziell für die traditionelle Skifahrt habe es immer schon Solidaritäts- und Sammelaktionen gegeben, berichtet der Schulpflegschaftsvorsitzende: einen „Skifahrttopf“, der teils ab der fünften Klasse angespart wurde, um das Geld an Familien mit knappem Budget zu verteilen. Dazu Kleiderbörsen für gebrauchte Skiklamotten. „Das hat schon immer funktioniert“, sagt Thorsten Stollen.
Empörte Eltern im Vorfeld der Tour
Die nächste Skifahrt am Karl-Ziegler findet noch mal unter Sonderbedingungen statt, erläutert Ute Gibbels. Im Januar/Februar 2023 können letztmalig 120 Jugendliche reisen – ausnahmsweise wird sie der kompletten Stufe neun angeboten, weil diese Jugendlichen im vergangenen Schuljahr wegen Corona verzichten mussten. Etwa 50, 60 Plätze blieben frei, nicht alle Schülerinnen und Schüler möchten mit. Die freien Plätze werden nun „aufgefüllt“ mit Achtklässlern, und erneut regt sich Protest: „Eltern der Achter waren empört, weil sie nicht nur Lückenfüller sein wollen“, berichtet die Schulleiterin, die schwer verbergen kann, dass ihr eigenes Herz keineswegs an der Skifahrt hängt.
Gibt es auch Eltern, die sagen: Die teure Skifahrt passt einfach nicht mehr in die Zeit? „Die gibt es auch“, sagt Thorsten Stollen, Vorsitzender der Schulpflegschaft. Das Ganze sei auch nicht in Stein gemeißelt. „Sollten die Kosten, was zu erwarten ist, weiter steigen, muss man über das Fahrtenkonzept neu nachdenken. Und dann steht vielleicht auch die Skifahrt wieder zur Diskussion.“
Was ihm jedoch überdies aufgefallen sei – und ähnlich äußert sich Schulleiterin Ute Gibbels: Bei einigen Eltern fehle Verständnis für das Ganze. Sie lehnten alle Veränderungen ab, drohten mit Klagen. Und das gelte längst nicht nur beim Reizthema Skifahrt: „Einige Eltern sehen sehr engstirnig nur ihren eigenen Vorteil oder wittern Nachteile für ihre Kinder“, meint Thorsten Stollen. „Das hat mit Corona angefangen und nimmt kein Ende.“