Mülheim. Eine Heftzwecke in der Sohle, eine tote Ratte oder Muskelkater nach dem Tennis: Bei der Feuerwehr Mülheim gehen die verrücktesten Notrufe ein.
- Die Leitstelle der Feuerwehr Mülheim merkt einen Anstieg der Bagatell-Anrufe.
- Brandamtmann Florian Lappe beobachtet eine sinkende Selbstständigkeit.
- In einer nicht lebensbedrohlichen Lage ist der kassenärztliche Notdienst zu verständigen.
Wann sollte man einen Krankenwagen rufen und wann ist das übertrieben? Wann genügt es, den kassenärztlichen Notdienst anzurufen und wann kann man sich durchaus auch allein auf den Weg ins Krankenhaus oder zu einem Arzt oder einer Ärztin im Notdienst machen? Eines ist sicher – die diesbezüglichen Meinungen der Mülheimerinnen und Mülheimer darüber gehen weit, sehr weit, auseinander.
Florian Lappe kann das sehr gut beurteilen. Der 40-jährige Brandamtmann bei der Mülheimer Feuerwehr hat gerade Bereitschaft im Einsatzleitdienst. „Es kann passieren, dass gleich ein Einsatz kommt – und dann muss ich sofort los!“ Es ist kein Zufall, dass er den Namen des Schutzpatrons der Feuerwehrleute trägt, denn auch sein Vater war bereits Feuerwehrmann. „Die Bandbreite der Gründe, aus denen Leute uns anrufen, ist überaus vielfältig“, sagt er und man merkt dem Profi irgendwie an, dass das noch eine Untertreibung ist.
Feuerwehr Mülheim: Menschen zeigen immer weniger Eigeninitiative
Die Beispiele für ungewöhnliche Anruf-Gründe unter der Notfallnummer 112 sprudeln nur so aus Lappe heraus. So habe es Leute gegeben, die wegen eines eingerissenen Zehennagels die Notrufnummer gewählt haben. Ähnlich lebensbedrohlich verletzt war der Anrufer, der berichtete, dass er in eine Heftzwecke getreten sei. Als der Rettungsdienst vor Ort war, stellte sich heraus, dass der Vorfall grundsätzlich zwar durchaus korrekt geschildert war, die Heftzwecke es aber noch nicht einmal durch die Schuhsohle in den Fuß des „Betroffenen“ geschafft hatte.
- Lesen Sie auch: Abschied: Das Gesicht der Feuerwehr Mülheim geht in Pension
Als Außenstehender kann man sich da natürlich einer gewissen Erheiterung nicht erwehren, was Florian Lappe jedoch klar relativiert: „Nicht selten stehen die Leute einfach unter Schock und überschätzen die gesundheitliche Bedrohung durch ihre Situation stark.“ Dafür müsse man durchaus Verständnis haben. Lappe ist ein absoluter Profi und es ist schwer vorstellbar, dass ihn etwas aus der Ruhe bringt. Der Fall, dass jemand die Feuerwehr ruft, weil eine tote Ratte aufgefunden wurde, scheint dann aber auch ihn an seine Grenzen des Verständnisses zu führen. „Man könnte auch eine Schaufel nehmen und das Tier entsorgen“, schlägt er eine alltagstaugliche Lösung vor, die die Benutzung des Notrufs und den Einsatz der Feuerwehr in diesem Fall überflüssig machen würde. „Die Selbsthilfe-Fähigkeit der Menschen ist stark gesunken“, fasst Lappe philanthropisch zusammen.
Mülheimer Feuerwehr: Bagatell-Anrufe wegen Muskelkater und offenem Wasserhahn
Die Beispiele reißen nicht ab und man erwischt sich unweigerlich bei dem Gedanken, dass es Komiker gibt, die ganze Stadien füllen und dabei nicht so lustige Geschichten erzählen. „Ein Tennisspieler hat die 112 gewählt und sich über Schmerzen beklagt, die nichts Anderes waren, als Muskelkater“, zählt Florian Lappe weiter auf. „Hier ist alles voller Blut“, habe ein anderer Anrufer nach dem Wählen der Notrufnummer am Telefon geschildert. Vor Ort stellte sich die stark blutende Wunde dann als kleine Schnittwunde heraus, der mit einem Standard-Pflaster hinreichend versorgt war.
Ob ein aus dem Nest gefallener Vogel, Maden in einer Mülltonne oder der Klassiker mit der Katze, die nicht mehr vom Baum herunter findet – „Wir haben hier schon fast alles erlebt“, resümiert der Fachmann und hat sich das Beste für den krönenden Abschluss aufgehoben. „Wir haben kürzlich einen Notruf erhalten, dass auf einer Baustelle unkontrolliert Wasser austritt“, erinnert sich Lappe. Einsatzkräfte begaben sich vor Ort und stellten fest, dass die Meldung sachlich zwar korrekt, aber doch weitaus weniger dramatisch war. Ein Wasserhahn tropfte und ließ sich widerstandslos zudrehen.
Florian Lappe bringt die Bedingungen rund um das Wählen der 112 auf einen einfachen Nenner: „Wenn irgendjemand in Lebensgefahr ist, dann soll man schnellstmöglich und ohne zu zögern den Notruf 112 wählen.“ In einer nicht lebensbedrohlichen Lage sei es eine gute Idee, zunächst den kassenärztlichen Notdienst unter 116 117 anzurufen oder die Notfall-Ambulanz des Katholischen Krankenhauses aufzusuchen. Florian Lappe wurde während des Interviews nicht zu einem akuten Einsatz gerufen und konnte bleiben - aber der nächste skurrile Notruf kommt bestimmt.