Mülheim. In flotten fünf Minuten spricht die Alte Dreherei von ihrer Entwicklung zum Mülheimer Haus der Vereine. Was hinter der witzigen Idee steckt.
Was würden Mülheimer Denkmäler wohl von sich erzählen, wenn sie denn sprechen könnten? Das würde sich zwischen den gut 900 historischen Bauten – allein schon zwischen den ,Nachbarn’ Stadthalle und VHS – vermutlich gründlich unterscheiden. Denn einige Denkmäler in der Stadt führen ein Leben am Existenzminimum. Die Alte Dreherei in Broich macht hingegen als Erfolgsstory sich reden. In einem Podcast unter 24 ausgewählten Denkmälern in NRW.
„Mein Gebälk ist phänomenal, es stützt meine deutschlandweit einzigartige Holzdachkonstruktion“, lobt ihre schmeichelnde, wenn auch männliche Stimme, die mancher wohl angesichts des grammatischen Geschlechts nicht erwartet hätte.
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Dass das heutige Schmuckstück am neuen Radschnellweg RS1 aber heute so selbstbewusst auftreten kann, verdankt es unmittelbar der Initiative „Das sprechende Denkmal“, die die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und Westlotto ins Leben gerufen haben. 24 Denkmäler in NRW - vom Radioteleskop in Bad Münstereifel bis zum Alten Bauernbad in Kirchlengern – erzählen auf unterhaltsame Weise und in flotten fünf Minuten von ihrer Entstehung.
Die Dreherei ist ein Symbol für eine demokratische Haltung
Und nicht selten davon, wie sie ihrem Verfall entkamen. Für Westlotto-Sprecher Axel Weber drückt sich in der Alten Dreherei eine zugleich gesellschaftliche Werte bewahrende wie demokratische Haltung aus.
Denn 2007 sollte auch das schon seit 1959 ausgediente und in Vergessenheit geratene Gebäude unter den Hammer kommen. Die Stadt Mülheim wollte das zugewachsene und teils zerstörte Ding verscherbeln, längst führte es das Katasteramt als „Ruine“, wie die Dreherei selbst mit stimmlicher Scham von sich preisgibt: „überall Scherben, Schutt und Staub“.
1919 erhielt die Alte Dreherei ihren Namen
Das Industriegebäude der Alten Dreherei gibt es seit 1874, 1919 aber kam sie erst zu ihrem heutigen Namen. In der Halle II des Eisenbahn-Ausbesserungswerkes Mülheim-Speldorf sind Lokomotiven und Güterwagen repariert worden. Teilweise konnten sie hier komplett zerlegt und wieder aufbereitet werden, schildert Martin Menke.
Aus der ehemaligen Lokrichthalle soll eine Museums-Werkstatt werden, in der Maschinen ausgestellt und an die Arbeitswelt von damals erinnert wird. Mehr Infos unter: alte-dreherei.de
Nur knapp dem Verfall entgangen
Doch „eine Gruppe engagierter Menschen“ hatte die Ruine „als Chance begriffen“, berichtet die Stimme. Ihrem Konzept eines „Haus der Vereine“ ist es letztlich zu verdanken, dass die Dreherei vor einem schlimmeren Dasein etwa als privates Spekulationsobjekt oder Ensemble aus renditeträchtigen Luxuswohnungen bewahrt werden konnte. Auch solche Bestrebungen sind der Ruhrstadt ansonsten nicht fremd.
„Nach tausenden Stunden freiwilliger Arbeit stehe ich heute da wie neu – doch im alten Gewand. Denn meine neuen Eigentümer haben rund zwei Millionen Euro in Renovierungen gesteckt“, verrät die Alte Dreherei gar selbst ganz stolz im Podcast.
Podcast soll die Geschichte der Dreherei in aller Munde bringen
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Der Ansatz, das Gebäude selbst zu Wort kommen zu lassen, gefällt auch Martin Menke, erster Vorsitzender des Trägervereins Haus der Vereine in der Alten Dreherei. Denn so können Pendler etwa auf dem Rad quasi im Vorbeifahren den QR-Code mit dem Barcode-Scanner des Handys einfangen und anhören. Menke hofft, dass sich das Denkmal so noch schneller herumspricht und das Interesse weiter steigt.
Möglicherweise könnte diese Aktion des sprechenden Denkmals auch Vorbild für ein weiteres Projekt zur Präsentation des Hauses sein, das der Verein mit einem Museumsplaner entwirft. Aktuell aber sind die markanten weißen Schilder mit dem Code an drei Orten zu finden: Am Eingang zur Dreherei, am Radschnellweg sowie an der Straße zur Dreherei.