Mülheim. Im Mülheimer Gewerbegebiet an der Xantener Straße wollen mittelständische Firmen mit Solarstrom autark werden. Warum sich die Investition lohnt.
Für Bernhard Penkert war Photovoltaik schon lange keine Frage mehr: In seinem mittelständischen Broicher Unternehmen August Penkert will der Geschäftsführer auf eigenen, lokal produzierten Strom umsteigen. Der soll in naher Zukunft nicht nur das Gebäude im Gewerbegebiet an der Xantener Straße versorgen, sondern auch E-Lieferfahrzeuge. Für die Planung kooperierte Penkert mit lokalen Akteuren: dem Verein Broichstrom und der Hochschule Ruhr-West. Der fachkundige Rat zahlte sich wortwörtlich aus, denn es gibt dabei einige Klippen zu umfahren.
Die eine ist die Wirtschaftlichkeit und die Frage: Wie groß muss die Anlage sein? „Wir wollen den Strom größtenteils selbst verbrauchen“, hat Martin Eberhard, Prokurist bei Penkert, auch aufgrund der Wirtschaftlichkeitsberechnungen durch Studierende der Hochschule entschieden. Penkert hat 28 Mitarbeiter und stellt Arbeitsschutzkleidung her. Braucht also tagsüber von 6 bis 14.45 Uhr in der Fertigung viel Energie.
Kleinere Anlagen können für Unternehmen effizienter sein
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Zudem plant der Betrieb, die Schutzkleidung mit E-Fahrzeugen auszuliefern. Die Berechnungen der HRW-Studierenden ergaben, dass in diesem Fall eine kleinere, aber nach Süden ausgerichtete Anlage, den Eigenverbrauch um drei Prozentpunkte steigern kann. Weil sie weniger kostet und für die gedachten Zwecke effizienter ist, finanziert sie sich nach zwölf statt 13 Jahren, also ein Jahr früher.
Der „Nachteil“: Penkert spart mit einer Südausrichtung weniger CO2 im Jahr ein. Umfassend und genau gingen die Studierenden vom Studiengang „Wirtschaftsingenieur Energiesysteme“ nicht nur bei Penkert, sondern bei drei weiteren Firmen im Gewerbegebiet vor. Sie wogen Ausrichtungen, Verschattungen und Lastprofile für die benötigte Energie ab, kalkulierten die Anlagen nach den jeweiligen Bedürfnissen.
HRW-Studierende profitieren von der Praxiserfahrung mit Unternehmen
Wolfgang Irrek, Professor an der HRW, begleitet die Studierenden bei solchen Praxisprojekten. Die Vorteile auch für die Studierenden liegen auf der Hand: Erfahrung in der Projektarbeit und im agilen Projektmanagement, Training im Umgang mit Simulationsprogrammen und auch Erfahrung in der Kommunikation mit Unternehmen. So zeigte sich, dass die für eine Potenzialanalyse wichtigen unternehmensinternen Informationen nicht problemlos zu beschaffen sind.
Ergebnisse: Für alle vier angefragten Unternehmen ist das „Solarstrom-Vermarktungsmodell ,Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung’“ ohne echte Alternative. Das ist wohl kein Einzelfall: Nicht selten verzichten Unternehmen inzwischen auf größere Anlagen, die mehr Energie erzeugen können, weil sie den Strom selbst nicht nutzen können. Und die Einspeisung ins Netz wird derart mager vergütet, dass es sich für den Investor nicht lohnt, über Gebühr Strom zu erzeugen.
Verein Broichstrom sieht noch zu viele bürokratische Hürden bei der Energiewende
Und bei manchen Unternehmen ist das Thema der nachhaltigen Selbstversorgung offenbar nicht einmal angekommen. Elf hatten die Studierenden angefragt, einige hätten Interesse am Thema gehabt, ihnen fehlten aber Informationen. Bei der Mehrzahl jedoch erschien die Investition in eine Energiewende offenkundig nicht attraktiv.
Ein Fehler im System der nachhaltigen Energieerzeugung? Für Hans-Peter Winkelmann, Klimaexperte und zweiter Vorsitzender des Mülheimer Vereins Broichstrom, gibt es noch zu viele bürokratische Hürden bei der Energiewende. Dabei könnten sich auch „Energiewendemuffel“ leicht einbinden lassen. So müsste die lokale Erzeugung von Strom in größeren Mengen durch Zusammenschlüsse von Anlagen verschiedener Firmen etwa in einem Gewerbegebiet gefördert werden. Größere Anlagen könnten sich dann unabhängig vom Eigenbedarf des einzelnen Unternehmens lohnen.
Penkert will auch ohne mögliche Förderung in Solarstrom investieren
Broichstrom will lokale Energiewende fördern
Die vier Unternehmen August Penkert GmbH, GST Gesellschaft für Sicherheitstechnik mbH, Graf Rohrleitungs- und Tiefbau und Harke Chemicals GmbH wollen in Photovoltaikanlagen auf den Gewerbedächern investieren.
Laut Berechnungen von Broichstrom und HRW könnten die Anlagen jedes Jahr 191.700 MWh klimaneutralen Strom erzeugen und dabei den Ausstoß von über 140 Tonnen Kohlendioxid vermeiden.
Broichstrom e.V. wurde 2019 auf Initiative der Innogy-Stiftung (heute E.ON-Stiftung) von Broicher Unternehmern als Projekt im KlimaQuartier Broich gegründet. Ziel ist die Förderung der lokalen Energiewende durch den Ausbau von erneuerbaren Energien durch Photovoltaik in Broich als Beitrag zur Klimaneutralität in Mülheim.
Für die Firmen und Broichstrom als begleitender Verein stehen nun die nächsten Schritte an: die Umsetzung der Wirtschaftlichkeitsberechnungen (siehe Info-Kasten). Und damit noch andere Hürden: Derzeit gibt es Lieferengpässe und – schwieriger noch – es sind Handwerker zu finden. Auch dort sind die Auftragsbücher offenbar gut gefüllt. „Es ist nicht einfach, jemanden zu finden, der auch das Know-how hat“, wollen Winkelmann und Penkert auf möglichst lokale Unternehmen setzen.
Rund 40.000 Euro will der Unternehmer in die Anlage investieren, mit Montage rechnet er zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Allerdings noch ohne Speicher. Der wäre dann sinnvoll, um übers Wochenende – wenn die Firma nicht geöffnet hat – ordentlich Energie zu tanken. Überzeugt von Solarenergie ist Penkert aber ohne Wenn und Aber. „Ich werde auch investieren, wenn es keine Förderung geben sollte“, schaut der Unternehmer auf die mögliche Ampelkoalition.
Seine Wagenflotte will er in den kommenden Jahren auf E-Mobilität umstellen, denn schon jetzt entspricht der Radius eines E-Wagens von bis zu 250 Kilometer auch dem der zu beliefernden Kundschaft.